Titel: Dracula – Die Graphic Novel
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Der irische Autor Bram Stoker hat im späten 19. Jahrhundert in seinem Roman "Dracula" mit dem - mit seinem - Vampir eine der gleichsam archetypischen Figuren des heutigen Horror-Genres erschaffen, auch wenn blutsaugende Untote schon seit deutlich längerer Zeit durch die Sagen, Mythen, Märchen und auch Literatur unterschiedlicher Völker wandelten.
Seit ihrem Erscheinen im Jahre 1897 erfuhr Stokers Geschichte so viele Interpretationen und Adaptionen in jeder der Künste – so auch in der neunten -, dass es a) fast ans Überabzählbare grenzt und b) auf Grund der allgemeinen Bekanntheit eine Zusammenfassung des Inhaltes überflüssig ist.
Schon das Rekurrieren auf die bloße gefühlte Anzahl vampirisch angehauchter Werke wirft die Frage nach der erzählerischen, künstlerischen Berechtigung einer weiteren Adaption des klassischen Stoffs auf. Und auf eben diese Frage finden die Autoren, Leah Moore – Tochter der Comic-Koryphäe Alan Moore (V for Vendetta, Watchmen, From Hell, The League of Extraordinary Gentlemen u.a.) -, Ehegatte John Reppion und nicht zuletzt Zeichner Colton Worley mit ihrem Werk keine befriedigende Antwort.
Positiv fällt lediglich die Erzählstruktur des Tradepaperbacks ins Gewicht: Der Leser hangelt sich gleichsam an Hand von in Bilder und Narrative-Boxes gebannten Tagebucheintragungen unterschiedlicher Protagonisten durch die Story, wobei er Eindrücke sowohl von den Innenansichten der Figuren als auch den vielschichtigen Beziehungen der Handlungsträger zueinander gewinnt. Damit weist die Adaption eine psychologische Tiefe auf, die dem Original relativ nahe kommt.
Bedauerlicherweise ist das alles aber weder spannend noch wirklich neu oder originell, sondern kommt behäbig, langsam und hausbacken daher und wirkt heutzutage, wo Dynamik, Pathos und große, fast schon exhibitionistisch ausgelebte Emotion die mediale Aufbereitung phantastischer Themen und damit unsere Sehgewohnheiten bestimmt, deutlich anachronistisch, und zwar nicht auf eine interessante oder verstörende, sondern eben auf eine langweilende Art.
Unterm Strich schwach und dröge ist auch das Artwork Colton Worleys. Glatte Texturen, in hölzernen Posen erstarrte Figuren, leblose Gesichter, denen Photoshop und eine digitale Nachbearbeitung das letzte Quäntchen Leben ausgesaugt haben, sowie die durchgängig düstere Koloration hinterlassen einen visuell trostlosen Eindruck. Die glatte Kühle der Texturen, die optische Distanziertheit – die Figuren verlieren sich oftmals im Dunkeln und/oder werden visuell durch die Narrative-Boxes dominiert - lassen kaum Emotionen aufkommen - weder sachten Grusel, noch echten Horror.
Fazit: Ein langatmige, wenig fesselnde Comic-Adaption, die sich inhaltlich zwar relativ dicht am Original-Werk Stokers orientiert, die aber genau deshalb und wegen des toten, hölzernen Artworks gegenüber dem Roman keinen signifikanten Zusatznutzen bietet oder signifikant neue Perspektiven eröffnet.