Reihe: Dr. Siri, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Vientiane, Hauptstadt von Laos, 1976.
Der Laote Dr. Siri ist 72 Jahre alt und wäre in westlichen Ländern schon längst in Rente. Da der Arzt in Laos praktiziert und das Land keinen Pathologen hat, wird er ganz schnell zu einem solchen erklärt. Praktisch im Heimstudium, mit einem Lehrbuch aus den 1950er Jahren muss sich der Doktor in den Jahren in seiner neuen Arbeit durchs Leben schlagen. Natürlich ist er durch dieses Heimstudium eher ein Schüler denn ein Student oder gar ein Könner. So ist er auf die Hilfe seiner Assistenten angewiesen. Das sind etwa die ausgebildete Krankenschwester und Sekretärin Dui, die er kurzerhand zu seinem Lehrling macht. Oder der leicht debile Gehilfe Herr Gün, der den Vorteil hat, sich an alles zu erinnern, und der sich besser in der Pathologie auskennt als der Doktor selbst.
Dr. Siri Paiboun bekommt ein Problem, als Frau Nitnoy auf seinem Tisch landet. Ihr plötzlicher Tod deutet auf Mord hin. Doch der Parteibonze, dessen Frau sie ist, sorgt dafür, dass die Frau abgeholt und eingeäschert wird. So wird es äußerst schwierig, einen Mord nachzuweisen. Vor allem, weil auch der vorläufige Bericht gestohlen wurde. Dieser Mord und der dreiste Diebstahl der Leiche sind das geringste Problem, mit dem sich Dr. Siri herumärgern muss. Plötzlich liegt ihm eine Leiche auf dem Tisch. Sie ist die erste von dreien, die aus einem Stausee gefischt werden. Die Leiche scheint ein Vietnamese zu sein.
Siri und sein Kollege aus Vietnam untersuchen die Toten und erkennen sofort, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Sie arbeiten gemeinsam an einem Fall, der in regelmäßigen Abständen von Parteibonzen und Staatsfunktionären behindert wird. Während der Ermittlungen wird Siri in einen entfernten Landesabschnitt geschickt, um dort bei den Mong mysteriöse Todesfälle aufzuklären. Was er dort erlebt, ist für den alten Arzt dann wirklich zu viel. Er wird für einen Helden der Mong gehalten, der allerdings vor mehr als 1200 Jahren lebte. Überraschend spricht er plötzlich die Sprache des Volkes. Und noch etwas Mysteriöses widerfährt ihm: Er kann ungewollt Tote sehen und sich mit ihnen unterhalten.
Der laotische Leichenbeschauer muss seine Arbeit mit allereinfachsten Mitteln, zwei Lehrbüchern der Franzosen und einer Chemikerin durchführen. Letztgenannte, mit namen Oum, ist die Einzige, die ihm in manchen Fällen helfen kann, da nur sie die Chemikalien besitzt, die er benötigt, und sie zudem scheinbar die einzige lebende Chemikerin des Landes ist. Sobald Dr. Siri an einem Fall arbeitet, gibt er nicht eher Ruhe, bis er den Fall gelöst hat. Da kann ein Rätsel nach dem anderen kommen.
Colin Cotterill, 1952 in London geboren und teilweise in Südostasien lebend, hat mit Dr. Siri einen wunderbar cleveren, makaberen, witzigen und intelligenten Menschen erschaffen. Er ist kein Geisterjäger, glaubt nicht an Übernatürliches und muss sich doch mit den Seltsamkeiten des Lebens auseinandersetzen. Ein besonderer Leckerbissen in der Erzählung ist natürlich die Beschreibung des Entwicklungslandes Laos. Keine High-Tech-Spezialisten einer amerikanischen Großstadt ermitteln hier, sondern ein improvisierender Doktor. Colin Cotterills Roman ist eine witzige, spritzige und vor kleinen Bonmots strotzende Erzählung. Die humorvollen Dialoge sind einfach gelungen. Jan Josef Liefers leiht dem Doktor und den anderen Handlungsträgern der Geschichte in unnachahmlicher Weise seine Stimme. Die Geschichte sprüht vor Sprachwitz, was auch der hervorragenden Übersetzung zu verdanken ist. Cotterill erzählt nicht nur von zwei Kriminalfällen, sondern er beschreibt sehr liebevoll ein Land, wie es nur jemand zustande bringt, der es liebt.