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Titel: Dorn
Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Die Gestaltung des Titels ist nicht übermäßig passend, auch wenn vermutlich jeder beim Titel “Dorn” eindeutige, zur Covergestaltung passende Assoziationen hat. In diesem Fall ist Dorn jedoch der Name des Landes, in dem die Geschichte spielt – und der elbische Begriff für Traum. Die Landschaft, die man auf dem Cover erkennen kann, könnte durchaus zum Land Dorn gehören, auch wenn der dargestellte Ritter eher nicht zur Geschichte passt. Aber auch, wenn es nicht ganz so passend ist, es versteht den Blick des Betrachters auf sich zu ziehen – und nach dem ersten Reinstöbern ist die Covergestaltung dann absolut nebensächlich.
Mit drei unerwarteten Besuchen beginnt die Geschichte, die der geheimnisvolle Fremde dem Wirtsjungen Hinck erzählt: Ein Bote, der vom Tod des Königs erzählt und den Marktgrafen von Falkenberg zum Konzil in die Hauptstadt einberuft; eine junge Elbin, die den Markgrafen um Schutz bittet und ein düsterer Fremder, der den Grafen mit gezückter Klinge des Nachts in seinem Gemach aufsucht. Eine Geschichte, die vom Geschick des Markgrafen und dem des ganzen Reiches erzählt.
Schon mit den ersten Sätzen des Präludium (lateinisch: Vorspiel) – “Worauf es sich zu warten lohnt” – hat mich Thilo Corzilius in den Bann der Geschichte geschlagen. Fast philosophisch kommen seine Gedanken um die Hoffnung und das Warten daher – bis sie von den Gedanken eines Jungen, der im hintersten Winkel des Reiches lebt, fortgeführt werden. Ein Junge, der die Abwechslung und den Hauch von Abenteuer, den der Gast des Wirthauses mit sich führt, genießen will. Und auch wenn der Gast dem Abenteuer überdrüssig ist, erzählt er dem Jungen seine Geschichte – für die Zeit, die er im Ort verweilen wird. Denn er weiß, worauf es sich zu warten lohnt – und so wartet er und erzählt: Von der Grafschaft Falkenberg und der Last des Grafentums. Von den Getreuen des Grafen und den Ereignissen, die Dorn die Wende brachten: Der Tod des Königs, die Bitte einer jungen Elbin und die dunklen Gedanken, die Dorn zu überziehen drohen. Er erzählt von “alter Magie” in längst vergessener Form, von Freundschaft, Verrat, Mut und Tod.
Die Hauptperson der Geschichte ist der junge Graf von Falkenberg, ein Adliger von geringer Bedeutung für seinesgleichen, aber von hoher für seine Grafschaft und seine Untertanen. Ein gerechter Herrscher, dem das Grafentum eher Last als Freude ist. Jemand, für den Gerechtigkeit mehr als ein Wort ist – und der jederzeit bereit ist, für andere einzustehen. Ein durch und durch rechtschaffener Held, aber auch jemand, der Freunde braucht, um an seinem Schicksal nicht zu zerbrechen.
Um das Land vor einem Bürgerkrieg zu bewahren, die Bürger seiner Grafschaft zu schützen und wieder in eben jene zurück zu kehren muss er eine weite Reise unternehmen. Und um sie zu einem guten Ende zu bringen, muss er sein ganzes Schwertgeschick und das Wissen der jungen Elbin Lia einsetzen. Es gilt zu beschaffen, was ein rachsüchtiger Gegner Menschen, Elben und Riesen gestohlen hat. Den Krieg unter ebenen jenen zu verhindern und die junge Elbin bei ihrer Mission vor einem dunklen Schergen zu bewahren. Es ist nicht der Graf allein, der sich dieser Aufgabe stellt – auch wenn er der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist, sind ihm und dem Leser stets der Wert seiner Freunde und Gefährten bewusst.
Anders als die meisten Helden strebt er nicht nach Abenteuern und Ruhm, sondern schlicht und ergreifend danach, wieder in die friedliche Heimat zu gelangen. Eine Tatsache, die bis zum Ende in der ganzen Geschichte mitschwingt. Das Ende ist ein gutes, auch wenn sich einige schwere Opfer nicht vermeiden ließen. Mit dem Abschluss der Geschichte ist sicherlich jedem klar, warum die friedliche Langeweile dem Abenteuer vorzuziehen ist. Ich glaube, dass zumindest Hinck es begriffen hat. Und mit den letzten Seiten erfahren Leser (wie auch Hinck), auf welches Ereignis es sich für den Fremden zu hoffen und zu warten gelohnt hat: Auf ein Ende, dass der Geschichte absolut würdig ist.
“Dorn” hat mich tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite völlig überzeugt. Einmal aufgeschlagen konnte ich mich der Geschichte des Grafen nicht mehr entziehen – und konnte mich ihrer, anders als Hinck, daher an einem Stück erfreuen. “Dorn” ist eine fantastische Geschichte, in einer fast greifbar wirkenden Welt mit einem Helden, dem schon mit den ersten Seiten die Herzen der Leser zufliegen werden. Durchgehend spannend, aber auch emotional. Und während das Ende der eigentlichen Geschichte von einer fast episch zu nennenden Schlacht mit leicht tragischem Ausgang gekrönt wird, wird das Ende der Rahmenhandlung jeden Romantiker überzeugen. “Dorn” ist damit eine Geschichte, die ich bedenkenlos jedem Fantasyleser empfehlen kann.