Titel: Die zerbrochene Puppe Eine Rezension von Martin Wagner |
Als IBM Anfang dieses Jahres prognostizierte, dass das Jahr 2013 der Durchbruch für das Subgenre Steampunk sei, haben die Fans des Sub-Genres nicht wenig überraschend reagiert. Für viele war es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Genre, das nicht nur in Film und Fernsehen immer häufiger in Erscheinung tritt, sondern auch in einigen Geschäften Uhrwerke und Kleidung aus der viktorianischen Ära erhältlich sind, den Sprung vom Insiderstil zum Stil für alle schaffen würde. Ob das so gut ist, das wird sich zeigen.
Literarisch ist das Genre schon seit einiger Zeit international erfolgreich, in Deutschland haben sich bisher nur wenige Verlage daran gewagt. Einer dieser Verlage ist der Mannheimer Verlag Feder&Schwert, der sogar ein eigenes Sub-Label mit dem Namen „Steampunk“ ins Leben gerufen hat, bei dem vor allen Dingen deutsche Autoren eine Chance bekommen. Unter anderem bekam ein Autorenteam, das Ehepaar Judith und Christian Vogt, die Chance ihren Roman „Die zerbrochene Puppe“ bei diesem Sub-Label zu veröffentlichen, in dem nicht nur eine Puppe, sondern auch barbarische Friesen, mechanisch wandelnde Körper, schwimmende Festungen, Luftschiffe und ein Künstler und Ehemann einer Wissenschaftlerin eine große Rolle spielen.
Der Künstler und Ehemann ist der adlig geborene Naðan von Erlenhofen, der zu Beginn des Buches mit seiner geliebten Ehefrau Æmelie in Venedig auf einem wissenschaftlichen Kongress ist, auf dem diese den Prototypen einer Brennstoffzelle vorstellt. Alle Angebote für diese Brennstoffzelle ablehnend, ist es kein Wunder, dass bald andere Mittel zum Einsatz kommen, nämlich mechanisch wandelnde Körper. Bei dem Angriff dieser wandelnden Körper wird Æmelie entführt und mit ihr verschwinden auch alle Unterlagen über die Brennstoffzelle. Für Naðan, der das natürlich nicht hinnehmen will, beginnt die abenteuerlichste Reise seines Lebens, bei der ihm zu Beginn nur die Puppe Ynge zur Seite steht, die, zumindest denkt Naðan das, mit der Stimme seiner Frau sprechen kann. Zusammen mit der Porzellanpuppe macht er sich auf den Weg nach Æsta, einem mechanisch in Bewegung gesetzten Eisberg, wohin die Spuren der Entführung führen. Dort angekommen erkennt er rasch, dass auf dem Eisberg nicht alles mit rechten Dingen zugeht und die soziale Frage dort nicht nur regelmäßige Aufstände verursacht sondern auch noch ganz andere Dinge in Gang gesetzt hat. Für Naðan, der diese Dingen nicht auf sich beruhen lässt, wird es auf dem Eisberg bald sehr gefährlich und nur ein neues Bündnis mit einer dem Kaiser treu ergebenen Gräfin und deren auswärtige Verbündeten, mit Luftschiffen reisende friesische Piraten, sorgen dafür, dass Naðan seine Suche und den Kampf gegen Æsta fortsetzen kann. Ein Kampf, der ihm noch sehr viel abverlangt, der aber auch verdeutlicht, wie viel in dem Künstler wirklich steckt, und in dem die Puppe noch eine bedeutende Rolle spielen wird.
Luftschiffe, mechanisch wandelnde Leichen, soziale Frage und jede Menge viktorianische Ideale machen das Buch zu einem der wenigen Steampunk-Romane, das den Sub-Genre Titel wirklich verdient hat, denn alle Aspekte, die dieses Sub-Genre ausmachen, tauchen nicht nur im Buch auf, sie spielen auch alle eine bedeutende Rolle. Das allein sollte eigentlich schon überzeugen, aber die beiden Autoren schaffen es auch, eine spannende Geschichte so zu erzählen, dass der Begriff Kopfkino in allen Fällen keine Übertreibung ist. Die richtige Mischung aus Beschreibung und Auslassung und aus Spannungs- und Entspannungskurve sorgen dafür perfekt. Die Protagonisten und Antagonisten tragen auch ihren Teil bei, denn sie sind rund und entwickeln sich absolut passend zum Erlebten weiter, was bei vielen Autoren nicht immer der Fall ist. Wirklich überzeugend ist auch der Hintergrund der Welt, es handelt sich um eine alternative Erde, auf der eine Eiszeit ab dem 9. Jahrhundert für viele Veränderungen sorgte. Ich hoffe, dass diese alternative Welt bald noch mehr Geschichten erhält, verdient hätte sie es.
Fazit: „Die zerbrochene Puppe“ von Judith und Christian Vogt ist der Steampunk-Roman schlechthin. Alle Elemente des Genres spielen eine bedeutende Rolle in der absolut gelungenen Geschichte mit tollen runden Protagonisten und Antagonisten und einem tollen Hintergrund. Mehr kann man sich nicht wünschen und doch will man mehr, nämlich einen Folgeband.