wanderdüneTitel: Die Wanderdüne Eine Rezension von Tatjana Stöckler |
Klappentext:
Eigentlich wollte Jonathan nur seinen heißgeliebten Rummel besuchen. Doch während er die Vorstellung in einem alten Zelt genießt, verwischt die Welt. Gerüche, Geräusche, Gesichter verschwinden. Plötzlich findet er sich im Strudel ungebändigter Gewalten wieder. Als die Illusion endet, verlässt Jonathan erleichtert das Zelt – und wird zum Gefangenen der Stadt, im Joch der Wanderdüne. Auf der Suche nach einem Ausweg dringt Jonathan immer tiefer in das sich stetig verändernde Straßengewirr der Stadt ein, die von einer unüberwindlichen Mauer geteilt wird. Er trifft auf puppenhafte, menschliche Wesen – hohl abweisend, einem geheimen Ruf folgend. Ein einziges Buch, das Gustav Samuel vor Jahren verfasste und danach verschwand, erzählt Jonathan die Geschichte der Stadt. Weder Vergangenheit noch Zukunft berühren sie – und doch bedeutet sie sowohl Leben als auch Tod für ihre Bewohner. Aber weshalb hat es ausgerechnet ihn in diese albtraumhafte Agonie gezogen? Der Autor Felix Woitkowski bezeichnet sich als Büchernarr und Textmensch. Mit seinem Debüt „Die Wanderdüne“ gelingt ihm ein packender Roman voller surrealer Phantasmen und Schauer.
Der Autor:
Felix Woitkowski geb 1985 in Soest (Westfalen, studiert Germanistik, Soziologie und Philosophie in Münster.
Inhalt:
Mosaikroman steht in der Beschreibung. Was ist das? Neugierig habe ich mir den Text heruntergeladen und begonnen zu lesen. Es beginnt unspektakulär mit dem voraussehbaren Szenario, in dem der Protagonist Jonathan auf dem klischeehaften Rummelplatz ein seltsames Zelt entdeckt und der Vorstellung dort beiwohnt. Doch was er findet, ist ein Alptraum. Eine seltsam bewusste Wanderdüne, ein Monstrum aus Sand, verschlingt seine Stadt. Dem Unglück entkommen stolpert Jonathan orientierungslos durch eine Stadt, die er nicht erkennt, obwohl sie so vertraut wirkt. Vergeblich erhofft er sich Hilfe bei einem Bettler, der Rosen aus Gemüse schnitzt, und einer Prostituierten, bis er schließlich einen Mob daran hindern muss, den Zirkusdirektor aus nichtigen Gründen zu lynchen.
Wie in einem Mosaik fügt sich ein Stein nach dem anderen in die Geschichte. Unvermittelt öffnet sich dem Leser ein Lehrbuch, in dem nach der Geschichte der Stadt gesucht wird. Viertel reiht sich an Viertel, aber die Kommunikation der Bewohner lässt zu wünschen übrig. Man bleibt lieber unter sich, und als tatsächlich jemand die Ursprünge der Stadt zu ergründen sucht, schließt sich die Obrigkeit zusammen und verbietet das Lehrbuch. Dabei sind die Erzählungen über die Sagengestalten der Antike, den kleinwüchsigen, wandernden Händler und den verkannten Wissenschaftler, weitere Mosaiksteine, durchaus unterhaltsam. Noch einen Blickwinkel bietet uns die verwaiste Tochter des Wissenschaftlers, Lina, weil in ihrer Gegenwart der Alptraum Jonathans, des ersten Protagonisten, weitergeht.
Beurteilung:
Was zuerst wie eine Sammlung interessanter Geschichten anmutet, fließt zusammen, ohne eine schlüssige Erklärung für den Alptraum zu liefern. Aber macht nicht genau das einen Alptraum aus, dass man eben nicht genau weiß, was dahintersteckt? Ob es sich um einen Horrorroman handelt, bin ich nicht sicher. Auf jeden Fall gibt es gruselige Situationen, die gut für Schauer auf dem Rücken sind.
Formal fielen mir eine nicht ganz einheitliche Formatierung des Buches auf sowie der Eindruck, der Verlag wolle durch das Weglassen von wünschenswerten Leerzeilen Platz sparen. Das nicht ganz exakte Lektorat und Korrektorat schmälert ein wenig das Lesevergnügen, was ich einem Kleinverlag allerdings nicht ankreiden möchte. Anfänglich fühlte ich mich durch kurze Sätze in meinem Lesefluss gehemmt, was allerdings auf im Buch unterschiedliche Stile zurückzuführen ist. Jeder Abschnitt hat seine eigene Schreibweise, was den Eindruck hinterlässt, tatsächlich eine Literatursammlung zu einem bestimmten Thema in Händen zu halten. Da passt dann allerdings der anfänglich etwas abgehackte Stil zu der turbulenten Handlung, während der romantische Stil eines anderen Kapitels die Gefühle der Sekundanten eines unsinnigen Duells gut ausdrückt.
Sicher ist dieser Roman nichts für einen kurzweiligen Nachmittag, er will verinnerlicht werden, erfordert Nachdenken über die Natur der Stadt und die Protagonisten. Jedem, der dazu bereit ist, kann ich „Die Wanderdüne“ empfehlen.