Serie / Zyklus: ~ Verlag / Buchdaten: Bastei-Lübbe Taschenbuch; GB: 2003; BRD: März 2005; 412 Seiten Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
„Die Verschmelzung“ ist in einer fernen Zukunft angesiedelt, in der die Menschheit sich über die Planeten und Monde des Sonnensystems ausgebreitet und automatisierte Raumer zu den Sternen geschickt hat. Einer dieser Raumer, mit dem Eigennahmen Isol, kollidiert im Nichts des Leeraumes mit einer Partikelwolke, muss daraufhin seine Geschwindigkeit reduzieren und findet eine technische Hinterlassenschaft vor, die so fortschrittlich ist, dass sie sich ohne Probleme mit seinen Systemen verbinden und sich ihnen anpassen kann. Wie dies geschieht, liegt jenseits des technischen Verständnishorizontes Isols.
Dank dieser technischen „Erweiterung“ ist der havarierte Raumer in der Lage zeitverlustfrei ins Sonnensystem zurückzukehren. Die dort lebende Menschheit hat sich über die Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt. Rein menschliches Leben existiert zwar immer noch und auch noch in stattlicher Zahl, dank der technischen Entwicklung aber sind viele Menschen die bizarrsten Verbindungen eingegangen. Vom äußeren her gleichen sie oftmals keinen Menschen mehr und auch von ihrer Psyche her haben sie sich weitgehend von den Menschen, wie wir ihn heute kennen, entfernt. Ein gegenseitiges Verständnis ist schwierig und stößt oft an Grenzen, die nicht zu überwinden erscheinen. Alles Leben ist aber auf das Sonnensystem als Lebensraum beschränkt, will es nicht Jahre dauernde Reisen durch die Tiefen des Raumes auf sich nehmen. Nun bietet der Fund Isols mit einem Male die Möglichkeit den Leerraum zwischen den Sternen innerhalb eines Augenblickes zu durchqueren und bietet gleichzeitig noch ein Ziel an. Ein Sonnensystem, welches ideal für eine Besiedlung durch die veränderten Menschen erscheint und zugleich unbewohnt ist.
Während die veränderten Menschen im Sonnensystem über ihren Exodus abstimmen, eine Vielzahl von Fraktionen daran interessiert ist Isols Fund in die Hände zu bekommen, wird nach der Entdeckung von Ruinen auf einen der Planeten eine vollkommen menschlich gebliebene Historikerin von Isol zu diesem gebracht.
Die Hinterlassenschaften einer völlig fremden und anscheinend längst untergegangenen Zivilisation, übersteigen selbst das Vorstellungsvermögen einer Historikerin, die es gewohnt ist unbedarft an menschliche Hinterlassenschaften heranzugehen und ihre Bedeutung zu klären. Im Anbetracht der Fremdartigkeit kann die junge Historikerin nicht auf ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen und erliegt der Faszination des Unbegreiflichen.
Justina Robsons Roman fehlt es ein wenig an drive. Die Handlung schreitet nicht gerade dynamisch voran, sondern eher gemächlich. Wer Action und Rasanz sucht, wird beides hier nicht finden. Dafür bietet die Autorin eine Auseinandersetzung über die Frage, wieweit sich Menschen verändern können/sollen/dürfen, um noch als Vertreter der menschlichen Rasse angesehen zu werden. Ist Menschsein gleichbedeutend mit einem menschlichen Aussehen oder kommt es allein auf eine „menschliche“ Geisteshaltung an? Natürlich würde jeder dem letztern Punkt zustimmen, aber würden wir Verbindungen aus Maschine und Mensch noch als Mensch im ursprünglichem Sinne ansehen. Wo sind Grenzen und wie wirkt sich das ganze auf die menschliche Gesellschaft und auf jeden einzelnen aus? Die Antworten auf diese und weitere Fragen bleibt uns die Autorin schuldig. Ob sie hierzu nicht in der Lage ist, sei einmal dahingestellt. Viel wichtiger erscheint, dass sie durch ihren Roman ihre Leser zum Nachdenken anregt, zur Auseinandersetzung mit diesen Fragen.
Sicherlich dürfte „Die Verschmelzung“ nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, zumal er nicht der unterhaltsamste Roman seiner Gattung ist. Auch als philosophischer Beitrag zur SF kommt ihm kein herausragender Stellenwert zu. Andere Autoren haben sich den von Justina Robson gestellten Fragen intensiver und unterhaltsamer genähert. Dennoch wurde sie für ihr noch recht überschaubares Werk bereits mit einigen Nominierungen für bekannte SF-Preise geehrt, so dass es sich lohnen dürfte, diese britische Autorin im Auge zu behalten.