Reihe: Die verlorenen Reiche, 4. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Königin Anne Dare gelang es, ihren wahnsinnig gewordenen Onkel zu besiegen. Der Despot hatte ihre ganze Familie ausgerottet, um sich selbst auf den Thron zu setzen. Inzwischen nun sitzt Anne auf dem ihr zugehörigen Thron von Crothenien. Das kann aber nur der erste Schritt sein, um Frieden im Land selbst und mit den angrenzenden Ländern zu schließen. Letzteres wird ihr schwer fallen, denn der König des Nachbarreiches fürchtet sich vor ihren unheimlichen Kräften der Magie, die sich in ihr entfalten, und möchte lieber heute als morgen, dass Anne, die Königin von Crothenien, vom Thron gefegt wird. Er sieht es als seine heilige Pflicht an, gegen Hexen und Zauberer vorzugehen. Die Kirche, selbst Anwenderin der Sedos-Magie, stößt in das gleiche Horn, obgleich ihre Motive eher darin begründet liegen, dass sie ein Matriarchat fürchtet und dass die Macht des Mannes respektive der Kirche gebrochen wird. Daher schürt sie das Misstrauen, dass man Königin Anne entgegenbringt, noch weiter.
Doch auch unter den Mitgliedern der Kirche besitzt Königin Anne (wenn auch nur wenige) Freunde. So etwa den jungen Priester Stephen, der seine Entscheidung getroffen hat und den Weg der Schreine beschreiten will.
Inzwischen erkennt Anne einen Gefahrenherd nach dem anderen. Dabei wird ihr klar, dass die Aktivitäten ihrer Feinde - die im Innern des Königreiches wie die von außerhalb - in der Lage wären, die Vermächtnisse der nichtmenschlichen Skasloi zu wecken, und eine viel größere Gefahr hervorrufen können. Die düsteren Geheimnisse ihrer Ahnin Virgenia Darye nehmen ihr fast den Mut. Sie muss sich der Herausforderung stellen, weil sonst die Welt, so wie sie sie kennt, verloren ist. Die Königin stellt sich selbstverständlich dieser neuen Aufgabe, wohl wissend, ihr Tod könnte der Preis für die Freiheit der Welt darstellen. Sie muss zum äußersten Mittel greifen und die Macht des Thrones einsetzen.
Auch ihre Weggefährten müssen sich neuen Aufgaben und Herausforderungen stellen. So erfahren wir etwas über das Schicksal von Aspar White und Stephen nach dem Kampf mit dem Woorm. Der Waldhüter Asper zum Beispiel erfährt mehr über die Herkunft der schwarzen Dornen, die den Wald überwuchern. Gleichzeitig wird er von seinem alten Gegner, dem Sefry Fend, überredet, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Hier scheint kurzfristig ein Tausch der Sympathien stattzufinden, denn es ist Asper, der sich weigert, gemeinsam zu handeln. Nach einigem Hin und Her kommt die Zusammenarbeit doch zustande. Mit deren Beendigung tritt jedoch der alte Zwist wieder in den Vordergrund und Fend will Asper White töten. Ebenso wie auf Asper und Stephan zurückgeblickt wird, erfolgt eine Weiterführung bei den Handlungsträgern Leoff, Cazio und dem Leibwächter Neil.
Der vierte Teil um das Königreich der Dornen und Knochen führt die Erzählung fort und beendet sie auch. Endlich, könnte man sagen, lagen doch zwischen dem dritten Teil und dem jetzigen Abschluss mehr als nur ein Jahr. Dieser lange Zeitraum macht es auch nicht gerade leicht, der Erzählung zu folgen. Wie üblich fehlt eine Zusammenfassung der ersten Bände, mit deren Hilfe man sich leichter im Roman zurechtfände. Wer die ersten drei Teile des Zyklus nicht gelesen hat, wird es schwer haben, sich in die Handlung einzulesen. Greg Keyes erklärt nicht viel, sondern beginnt damit, die offenen Handlungsstränge zusammenzuführen. Letztlich bleiben keine Fragen unbeantwortet.
Greg Keyes wuchs mit der Sprache und Sagenwelt der Navajo-Indianer auf. Diese Quellen finden sich sehr oft in seinen schriftstellerischen Werken wieder. Die Natur und der Schutz ihrer selbst spielt, wenn auch manchmal nur am Rande, in jedem Buch eine Rolle. Greg Keyes versucht ohne erhobenen Zeigefinger dem meist jugendlichen Leser die Gefahr der Zerstörung nahe zu legen. Er erzählt seine Geschichte weiter, verknotet sie mit einigen Ränkespielen, aber ansonsten ist die fesselnde Erzählung sehr unterhaltsam.