Serie: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der mit 10.000 Euro ausgelobte Fantasy-Literaturpreis, und damit der höchstdotierte im deutschsprachigen Raum, der Wolfgang-Hohlbein-Preis, ging im Jahr 2006 an die Tübinger Autorin Evelyne Okonnek. Autor Hohlbein überreichte ihr den zufällig nach ihm benannten Preis, er war der erste Preisträger, auf der Leipziger Buchmesse für ihren Roman Die Tochter der Schlange. Seither sind überall im Lande Buchbesprechungen zu dieser Erzählung erschienen. Damit werde ich vielen Lesern des phantastischen Bücherbriefes nichts Neues erzählen. Da ich jedoch zu jedem Buch, das ich gelesen habe, etwas schreibe, bleibt es euch nicht erspart.
Wir werden in das Land Lehanârs geführt. Hier lebt seit Generationen ein Volk, das von den magisch begabten Hüterinnen beschützt wird. Entstanden ist diese Herrschaftsform, als beim letzten großen Krieg der Länder Lehanârs und Aquîr alle männlichen Herrscher umkamen und das Volk beider Länder zu Grunde gerichtet war. Die Hüterinnen beider Länder vereinbarten, dass niemand mehr getötet werden darf und dass nur noch Frauen an der Spitze der Völker stehen dürfen. So blieb es seit Generationen nur den weiblichen Nachkommen vorbehalten, Magie auszuüben und zu herrschen. Als bei einem Unfall die Eltern von Liahnee sterben, wird das junge Mädchen durch die weiße Schlange zur Hüterin ausgerufen. Allerdings hat sie ein furchtbares Geheimnis. Bislang hat man ihr die Magie zugeschrieben, die ihr Bruder für sie anwandte. Ohne ihn ist sie nichts. Niemand ihrer jubelnden Untertanen weiß darüber Bescheid. Immer war es ihr Bruder Minohem, der ihr aus der Patsche half. Doch jetzt sitzt er in seinem Turm und studiert Magie. Dabei fällt er der dunklen Seite zum Opfer. Drachen und Werwölfe überfielen Land und Leute, und immer war es Minohem, der helfend eingriff.
Eine Gesandtschaft aus den Nachbarländern erscheint zu Besuch bei Lîahnee, und sie verliebt sich prompt. Minohem sieht seine Position gefährdet, könnte er doch durch den vielleicht zukünftigen Gemahl nicht mehr über das Land herrschen. Durch das gleiche Tor, durch das er die Werwölfe und Drachen schickte, sendet er seine Schwester in Schlangengestalt. Gleichzeitig wird der zukünftige Ehemann in eine Krähe verwandelt. Lîahnee findet sich auf der dunklen Seite ihrer Welt wieder und muss erkennen, dass hier die Drachen und Werwölfe, die ihr Bruder besiegte, ein wildes Regiment führen. Trotzdem wird sie von einem Stamm Jäger aufgenommen. Die Flucht des Stammes vor den Untieren führt sie zur Tagseite ihres Landes. In ihrer Begleitung finden sich einige Helfer, die sie ins Land des Lichts begleiten. Hier muss sie sich, ihrer eigenen Magie immer noch nicht ganz sicher, ihrem Bruder stellen.
Der Roman lebt von den extremen Gegensätzen. Licht und Dunkel, Mann und Frau, Gut und Böse, der strahlende Held und der verstümmelte Jäger. Eine fruchtbare Landschaft steht im krassen Gegensatz zu einer lebensfeindlichen Steppe auf der dunklen Seite der Welt. Zuerst ist die junge Hüterin nur ein Mädchen, das sich von ihrem Bruder lenken lässt. Erst langsam gewöhnt sie sich daran, selbst die Handlung zu übernehmen. Nicht länger darauf zu warten, was andere tun, um daraufhin entsprechende Handlungen auszuführen. Obwohl dieser Weg steinig und gefahrvoll ist, zeichnet die Autorin eine Person, die langsam aber sicher zu einer Persönlichkeit wird. Mit diesem Schritt erwacht die zuerst recht blass beschriebene Lîahnee zu einem richtigen Leben.
Trotz aller Liebe zu Einzelheiten bleibt das Land mit heller und dunkler Seite sehr klischeehaft. Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Ein Land, in dem immer die Sonne scheint, und der Gegenpart, der immer im Finsteren liegt. Das kann nicht gut sein, wann soll geschlafen werden? Was soll ohne Sonne in der Dunkelheit leben? In dieser Hinsicht konnte mich Evelyn Okonnek nicht ganz überzeugen. Ihre Ideen gefielen mir, man hätte sicher ein wenig mehr daraus machen können.