Titel: Die Straße (2007) Eine Besprechung / Rezension von Andreas Muegge |
Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft. Die Erde ist nur noch ein trostloser, zerfallener Ort, wo es nie richtig hell wird. Was genau die Katastrophe ausgelöst hat, wird nicht erklärt. In Andeutungen erfährt man von großen Feuern und einer globalen Zerstörung, die nur wenig übrig gelassen hat. In dieser post-apokalyptischen Welt ist ein Vater mit seinem Sohn unterwegs in den Süden. Beide bleiben namenlos. Die Liebe des Vaters zu seinem Sohn ist eines der zentralen Themen in diesem Buch. Der Vater selbst hat fast jede Hoffnung verloren, doch für seinen Sohn opfert er sich auf. Das Kind ist für ihn das Licht, das die Welt benötigt um weiter zu bestehen. Das Alter des Sohnes wird übrigens nirgendwo genannt, ich tippe auf ca. 10 Jahre. Er ist in vielen Dingen noch ein Kind und lässt sich führen, aber er vertraut seinem Vater nicht mehr bedingungslos und macht sich seine eigenen Gedanken. Das Schicksal hat mich sehr berührt und mehr als einmal habe ich mich gefragt, wie ich selber reagieren würde. Wie behält man seine Menschlichkeit, wie verändern sich die eigenen Werte und wie kann man jemals wieder Vertrauen aufbauen? Woher nimmt man die Kraft, jeden Morgen aufzustehen und weiterzumachen?
Cormac McCarthy schreibt sehr kompakt. Kein Wort ist unnütz und Anführungszeichen fehlen z.B. komplett. Am eindrucksvollsten fand ich die Gespräche zwischen Vater und Sohn. Sie wirken unglaublich echt und realitätsnah und geben die komplexe Beziehung sehr plastisch wieder. Der Vater kennt noch die heile Welt und hat es ungleich schwerer. Mit viel Glück konnte er das Überleben sichern, aber zu einem sehr hohen Preis. Er hat das Vertrauen in die überlebenden Menschen verloren und schlägt sich alleine durch. Man merkt, dass sein Sohn damit ein großes Problem hat, insbesondere wenn er in seinen kindlichen Begriffen von gut und böse denkt. Überall lauern Gefahren (insbesondere auf der Straße, auf der sie unterwegs sind), aber auch Chancen. Ohne Erkundungen müssten beide verhungern - die Straße ist erbarmungslos.
Mir hat The Road ausgezeichnet gefallen. Die post-apokalyptische, düstere Atmosphäre war genau nach meinem Geschmack und die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist überaus eindrucksvoll gelungen. Dieses Buch ist definitiv nicht für jeden geeignet. Wer keine eigenen Kinder hat, wird sich schwer tun, die Vater-Sohn-Beziehung zu würdigen, und wer nach einer Erklärung sucht für die Geschehnisse, wird nicht fündig werden. Das Buch funktioniert auf einer abstrakteren Ebene, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was das Licht in der Welt ist.
Wertung: 6 von 7. Düsterer und sehr atmosphärischer Roman über die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn.
Die Straße - die Rezension von Rainer Skupsch