Serie/Reihe: Meisterwerke der SF Literatur Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
James Graham Ballard wurde als Sohn englischer Eltern am 18.11.1930 in Shanghai geboren, wo sein Vater ein Textilgeschäft betrieb. Bis 1946 lebte die Familie in China, um dann nach England zu ziehen. Nach dem Medizinstudium in Cambridge entschied er sich, Schriftsteller zu werden. Seine Kindheitserlebnisse in China und seine Medizinkenntnisse fanden schnell ihren Eingang in seine Erzählungen. Seine erste Geschichte erschien im Jahr 1956. Nach vier Jahren in einem japanischen Kriegsgefangenenlager studierte er in Cambridge Medizin. Später diente er in der R.A.F. als Pilot.
Viele seiner Novellen stellen Anti-Utopien und Weltuntergangsszenarien dar. Die Ursachen dafür sind dabei meist unwichtig und werden oft nicht näher genannt. Ballard konzentriert sich stattdessen auf die verfallene Gesellschaft im Zeichen des Untergangs. Ein wiederkehrender Leitgedanke ist die Auseinandersetzung zwischen den Möglichkeiten einer rücksichtslosen Einzigartigkeit und der Resttreue gegenüber den verbliebenen gesellschaftlichen Normen.
Seine Novelle Crash (Crash) wurde 1996 vom kanadischen Regisseur David Cronenberg verfilmt, ebenso Empire of the Sun (Das Reich der Sonne) im Jahre 1987 unter der Regie von Steven Spielberg.
Der vorliegende Band ist der erste Teil der gesammelten Science-Fiction-Kurzgeschichten James Graham Ballards und umfasst die Jahrzehnte von 1950 bis 1970. Ein Großteil seiner Erzählungen zeichnet sich dadurch aus, eine Dystopie zu sein. Seine Erzählungen spielen in einer nicht allzu fernen Zukunft oder aber in einer Gegenwart, die nicht ganz der unseren entspricht und somit eher zu den Alternativwelten zählt. Bei seinen handelnden Personen geht es immer darum, dass sie ihren eigenen Platz in der Gesellschaft finden, sich selbst ein Stück Freiheit schaffen und ihre Persönlichkeit ausleben können. Leider steht ihnen dabei der eigene wissenschaftliche Fortschritt im Weg, der gleichzeitig für einen Verfall der sozialen Werte sorgt. Der Einzelne verliert seine Freiheit, was besonders deutlich in der dritten Erzählung, "Die Konzentrationsstadt", dem Leser vor Augen geführt wird. Allein schon der Gedanke an Freiheit wird als ein Zeichen von Wahnsinn gewertet. James Graham Ballard erkannte bereits in den fünfziger Jahren des ausgehenden letzten Jahrtausends, dass die Technik nicht unbedingt vereinbar ist mit dem sozialen Willen der Menschen. Er erkannte die Probleme, die auftauchen würden: ein schneller technischer Fortschritt, der den sozialen Fortschritt schnell abhängte. Dies zeigt sicher ganz gut die Erzählung "Der Garten der Zeit": Ein Liebespaar lebt in einer idyllischen Villa von der Welt zurückgezogen. Während sie dort losgelöst von den alltäglichen Sorgen leben und lieben, nähert sich ein waffenstrotzender Pöbel. Wenn das Paar eine Rose aus dem Garten pflückt, bleibt die Zeit stehen und sie haben nur noch sich selbst. Allerdings kehren sie in die Gegenwart zurück, wenn die Blume welkt. Blumen spielen aber auch in anderen Erzählungen eine Rolle. In den Geschichten um Vermillion Sands gibt es singende Blumen und Kunstwerke, die aus Wolken gefertigt wurden. Trotzdem sind auch diese Texte eher schwarzmalerisch veranlagt. Die Erzählungen aus dieser Zeit nannte Ballard selbst einmal seine wichtigsten. In der Regel befassen sie sich mit Zeit und Raum in allen möglichen Kombinationen. In der 1961 veröffentlichten Erzählung "Billenium" geht es um eine übervölkerte Erde und den Fund eines freien Zimmers. Eine unglaubliche Entdeckung. In der Erzählung "Chronopolis" ist dann die Zeit selbst der Gegner der Menschheit. James Graham Ballard ist ein Autor, dessen Erzählungen ineinander übergreifen. Sie bilden, wie die Facetten eines geschliffenen Edelsteins, für sich selbst ein funkelndes Etwas und zusammen ein großes, formvollendetes Schmuckstück. Warten wir noch auf den zweiten Band.