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Reihe: Das schwarze Auge, Band 144 Eine Rezension von Christel Scheja |
Es hat auf anderen Rollenspielwelten schon Tradition, die Entdeckung neuer Welten mit Romanreihen zu begleiten, die zwar unabhängig von den gleichzeitig erscheinenden Abenteuer sind, aber genau so intensiv auf den neuen Kontinent einstimmen sollen, den es zu entdecken gilt.
Erstmals folgt man auch bei „Das Schwarze Auge“ diesem Trend, wie die Saga um „Die Rose der Unsterblichkeit“ zeigt, die nach und nach Aspekte des unbekannten Kontinents „Uthuria“ enthüllen soll. Nun ist „Schwarze Segel“ erschienen, der zweite Band des Zyklus.
Noch immer hat die Expedition aus AlAnfa nicht den legendären Südkontinent Deres erreicht, denn die stürmische See und andere Unglücke hat die Flotte auseinander gerissen und verkleinert. Auch die „Stolz des Raben“ hat Federn lassen müssen – aber man lässt sich trotzdem nicht unterkriegen. Nach dem Verlust von Freunden und Rivalen bilden sich neue Beziehungen, auch die Liebe kann es gelegentlich nicht lassen, die seltsamsten Paare zusammenzuführen, wie die Magierin Alisande und den tollpatschigen Gelehrten Marfan, nicht ahnend, was daraus noch erwachsen wird.
Schließlich wendet sich endlich doch noch alles zum Guten. Die bunt zusammengewürfelte Mannschaft kann aufatmen, als man endlich die Flotte wiederfindet und Land sichtet. Doch schnell zeigt sich, dass die fremden Gestade auch nicht ohne Überraschungen sind. Erst macht nur die Natur den Neuankömmlingen das Leben schwer, dann sind es die intelligenten Bewohner des neuen Kontinentes.
Noch während sie ihre neue Siedlung aufbauen, um sich von dort aus über das Land auszubreiten, müssen sie sich mit barbarischen und blutlüsternen Menschenfressern herumschlagen.
Die Geweihte Efferia schließt zwar Freundschaft mit der führenden Priesterin einer höheren Zivilisation, aber kann sie den freundlichen Worten der anderen Frau wirklich auf Dauer trauen und glauben, dass Efferd einen Bruder hat, der nicht länger im Streit leben möchte und versöhnlich die Hand ausstreckt?
Doch auch andere entdecken schließlich überraschende Züge an sich, als sie durch die neue Umgebung zum Äußersten getrieben werden, so wie der Krieger Alrik..
Eigentlich geht es in diesem Zyklus um die Erforschung eines neuen Kontinentes und seiner Geheimnisse – allerdings merkt man sehr schnell, dass dem nicht wirklich so ist, da andere Dinge im Vordergrund stehen. Gut ein Drittel der Handlung beschäftigt sich noch mit der Seereise und den Befindlichkeiten der Protagonisten auf See. Das erleichtert zwar den Neueinstieg, zieht allerdings auch in die Länge.
Auf Uthoria angekommen wird das typische Programm durchgezogen – die Helden schlagen sich durch eine lebensfeindliche Umgebung, die nicht von ungefähr ein wenig an Maraskan erinnert, man führt sich herrschaftlich auf und nimmt das Land mit der gleichen Arroganz in Besitz wie es die ersten Europäer in Amerika taten. Überhaupt orientiert sich der Autor sehr stark an der Eroberung und Besiedlung des westlichen Kontinentes, so wie es vermutlich auch vom Hintergrund her vorgegeben sein mag. Was aber in einer Rollenspielrunde und einem Abenteuer problemlos funktioniert ist hier vorhersehbar. Lange Zeit plätschert die Handlung nur so vor sich hin, man weiß genau, dass die wichtigen Figuren die Angriffe von Tieren und Barbaren überstehen werden und man nur die unwichtigeren opfert. Auch ist abzusehen, dass der freundliche Kontakt mit einer höherstehenden Zivilisation nicht so lange bleiben wird.
Letztendlich folgt der Autor breit ausgetretenen Wegen, bedient Klischees, wie man sie aus dem ein oder anderen Film oder Roman kennt, inklusive der Piraten- und Abenteurerromantik a la „Fluch der Karibik“ oder „Allan Quartermain“.
Erst zum Ende hin bringen Entwicklungen, die nur sporadisch angesprochen wurden, ein wenig Action und damit auch Spannung in die Geschichte. Wirklich aufregender wird sie dadurch nicht. Auch die Figuren sind blass gezeichnet, bleiben durch ihre Vielzahl mehr oder weniger Archetypen.
So kann der flüssige Stil und die Routine des Autors nicht darüber hinweg täuschen, dass der Roman selbst durchschnittlich bleibt und so gut wie gar nicht den Flair einer neuen und unbekannten Welt einfängt. Das liegt aber weniger an ihm selbst als an dem vorgegebenen Thema und den festgelegten Eckpunkten.
Alles in allem dürfte „Schwarze Segel“ in erster Linie für die Spielleiter und Spieler interessant sein, die sich in der kommenden Zeit auf dem neuen Kontinent bewegen und Ideen für Abenteuer finden wollen. Reine Leser werden vermutlich eher von der vorhersehbaren Handlung, den blassen Figuren und den vielen Klischees enttäuscht.
Meine Wertung:
2,5 von 5 neuentdeckten Kontinenten