Serie/Zyklus: Buchreihe "Die Mythen" |
Eine Gruppe internationaler Verlage hat 2005 eine Buchreihe initiiert, in der namhafte Autoren klassische Mythen aus heutiger Sichtweise neu interpretieren. In Deutschland erscheint die Reihe im Berlin Verlag, der als einen der ersten Bände Margaret Atwoods Neudeutung der Versepen Homers, also der Ilias und der Odyssee, aus der Sicht Penelopes, der Ehefrau des Odysseus, veröffentlicht hat.
"Die Penelopiade" wird zum größten Teil von der Titelfigur in Ich-Form erzählt. Wenn die Handlung einsetzt, "lebt" Penelope seit nunmehr über dreitausend Jahren in der griechischen Unterwelt, dem Hades. Von dort aus beobachtet sie unsere moderne Welt, sie trifft gelegentlich alte Bekannte und vor allem erzählt sie uns von ihrem früheren Leben: von ihrer Jugend als Tochter des Königs von Sparta, von ihrem Eheleben mit Odysseus und von den zwanzig Jahren, die sie auf Ithaka auf ihn wartete, während er vor Troja kämpfte bzw. auf seinen anschließenden Irrfahrten das Mittelmeer bereiste. Die Geschichte, die sich dabei vor uns entfaltet, unterscheidet sich beträchtlich von Homers Version. Hier geht es weniger um heroische Taten als um den Alltag einer Frau. Götter hat Penelope nie persönlich gesehen, ihr Gatte Odysseus hat sie womöglich eher aus finanziellen Gründen geheiratet und ihr Leben in der Fremde als Königin ist einsam. Und ob Odysseus wirklich von Zyklopen und Zauberinnen an der Heimkehr gehindert wird - oder nur in irgendeinem sizilianischen Bordell versumpft -, wer weiß das schon?
Für Penelope gefährlich wird es schließlich, als Griechenlands adlige Jünglinge Odysseus endgültig für verschollen halten und leichte Beute wittern. Sie strömen nach Ithaka und drängen die nicht mehr junge Königin, aus ihren Reihen einen neuen Gatten zu erwählen. Penelope beginnt ein Spiel um Zeit, welches sie letztlich mit Hilfe ihrer zwölf hübschesten Mägde gewinnt, die die Freier umgarnen und ausspionieren. Dabei opfern sie ihre körperliche Unversehrtheit für die ihrer Herrin. Dann endlich kehrt Odysseus heim und das Töten beginnt.
Doch erzählt uns Penelope auch die ganze Geschichte? Eingefügt in ihre Erzählung sind - ähnlich wie in klassischen griechischen Tragödien - immer wieder Auftritte eines die Handlung kommentierenden Chores, und bei Atwood besteht dieser Chor aus den zwölf Mägden, die Odysseus, bald nach seinem Massaker an den Freiern, eine nach der anderen erhängte. Doch wie konnte es dazu kommen? Die Mägde beklagen sich in ihren Gesängen immer wieder über ihr Leben in Leibeigenschaft - und sie widersprechen vehement Penelopes Darstellung der Ereignisse. War die Königin ihrem Mann wirklich all die Jahre treu? War sie tatsächlich ganz unschuldig am Tod ihrer Sklavinnen? Oder wussten diese einfach zu viel über sie? Eine Antwort auf diese Fragen liefert Margaret Atwood nicht, offenbar weil eine Wertung der Geschehnisse ihr nicht wichtig ist. Auch scheint es ihr nicht um Charakterzeichnung zu gehen: Selbst Penelope - die schon bei Homer auf die Eigenschaften "ist treu" und "versteht etwas vom Weben" beschränkt ist - bleibt als Persönlichkeit blass. Vielmehr konzentriert sich Atwood auf die Rolle der Frau in einer patriarchalisch-feudalistischen Gesellschaft. Sie will uns das Leben der Menschen hinter dem Mythos näherbringen, die Sorgen der Königin genauso wie die Sehnsüchte der ihr ausgelieferten Sklavinnen.
"Die Penelopiade" war für mich eine kurze, angenehme Lektüre. Ich dachte zwischendurch, das Buch wäre gut geeignet als Teil einer Unterrichtsreihe zum Thema "Mythen" im Fach Deutsch. Teenager und junge Erwachsene wären wohl auch das ideale Publikum für den recht kurzen Text. Ältere Leser erfahren nichts wirklich Neues, aber das auf sehr unterhaltsame Weise.
"Die Penelopiade" wird zum größten Teil von der Titelfigur in Ich-Form erzählt. Wenn die Handlung einsetzt, "lebt" Penelope seit nunmehr über dreitausend Jahren in der griechischen Unterwelt, dem Hades. Von dort aus beobachtet sie unsere moderne Welt, sie trifft gelegentlich alte Bekannte und vor allem erzählt sie uns von ihrem früheren Leben: von ihrer Jugend als Tochter des Königs von Sparta, von ihrem Eheleben mit Odysseus und von den zwanzig Jahren, die sie auf Ithaka auf ihn wartete, während er vor Troja kämpfte bzw. auf seinen anschließenden Irrfahrten das Mittelmeer bereiste. Die Geschichte, die sich dabei vor uns entfaltet, unterscheidet sich beträchtlich von Homers Version. Hier geht es weniger um heroische Taten als um den Alltag einer Frau. Götter hat Penelope nie persönlich gesehen, ihr Gatte Odysseus hat sie womöglich eher aus finanziellen Gründen geheiratet und ihr Leben in der Fremde als Königin ist einsam. Und ob Odysseus wirklich von Zyklopen und Zauberinnen an der Heimkehr gehindert wird - oder nur in irgendeinem sizilianischen Bordell versumpft -, wer weiß das schon?
Für Penelope gefährlich wird es schließlich, als Griechenlands adlige Jünglinge Odysseus endgültig für verschollen halten und leichte Beute wittern. Sie strömen nach Ithaka und drängen die nicht mehr junge Königin, aus ihren Reihen einen neuen Gatten zu erwählen. Penelope beginnt ein Spiel um Zeit, welches sie letztlich mit Hilfe ihrer zwölf hübschesten Mägde gewinnt, die die Freier umgarnen und ausspionieren. Dabei opfern sie ihre körperliche Unversehrtheit für die ihrer Herrin. Dann endlich kehrt Odysseus heim und das Töten beginnt.
Doch erzählt uns Penelope auch die ganze Geschichte? Eingefügt in ihre Erzählung sind - ähnlich wie in klassischen griechischen Tragödien - immer wieder Auftritte eines die Handlung kommentierenden Chores, und bei Atwood besteht dieser Chor aus den zwölf Mägden, die Odysseus, bald nach seinem Massaker an den Freiern, eine nach der anderen erhängte. Doch wie konnte es dazu kommen? Die Mägde beklagen sich in ihren Gesängen immer wieder über ihr Leben in Leibeigenschaft - und sie widersprechen vehement Penelopes Darstellung der Ereignisse. War die Königin ihrem Mann wirklich all die Jahre treu? War sie tatsächlich ganz unschuldig am Tod ihrer Sklavinnen? Oder wussten diese einfach zu viel über sie? Eine Antwort auf diese Fragen liefert Margaret Atwood nicht, offenbar weil eine Wertung der Geschehnisse ihr nicht wichtig ist. Auch scheint es ihr nicht um Charakterzeichnung zu gehen: Selbst Penelope - die schon bei Homer auf die Eigenschaften "ist treu" und "versteht etwas vom Weben" beschränkt ist - bleibt als Persönlichkeit blass. Vielmehr konzentriert sich Atwood auf die Rolle der Frau in einer patriarchalisch-feudalistischen Gesellschaft. Sie will uns das Leben der Menschen hinter dem Mythos näherbringen, die Sorgen der Königin genauso wie die Sehnsüchte der ihr ausgelieferten Sklavinnen.
"Die Penelopiade" war für mich eine kurze, angenehme Lektüre. Ich dachte zwischendurch, das Buch wäre gut geeignet als Teil einer Unterrichtsreihe zum Thema "Mythen" im Fach Deutsch. Teenager und junge Erwachsene wären wohl auch das ideale Publikum für den recht kurzen Text. Ältere Leser erfahren nichts wirklich Neues, aber das auf sehr unterhaltsame Weise.