Titel: Die Lincoln-Maschine aka Die rebellischen Roboter aka Die Welten des Philip K. Dick Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Das Buch handelt von Louis Rosen und seinem Teilhaber Maury Rock. Die beiden führen eine kleine Firma, die elektronische Heimorgeln und automatische Spinette herstellt. Louis Rosens Heimorgeln verkaufen sich nicht gut, und so erhält sein Partner mit seinen erfolgreicheren Spinetten die Oberhand in der Firma. Unter seinem Einfluss fällt die Entscheidung, Simulacra herzustellen. Simulacra sind Roboter mit menschlichem Aussehen, die dazu auserkoren sind, niedere Dienste zu verrichten und Hilfstätigkeiten auszuführen - also einfach dem Menschen zu dienen. Was Louis, der Ich-Erzähler dieses Romans, nicht weiß: Maury will historische Persönlichkeiten nachbauen.
Dabei beginnt er mit dem ehemaligen Kriegsminister Edwin M. Stanton. Als diese Fabrikation erfolgreich verläuft, macht sich Maury daran, Lincoln selbst nachzubauen.
Damit beginnen die eigentlichen Probleme. Denn unter der menschenähnlichen Oberfläche befinden sich komplizierte energetische Vorgänge, gesteuert von einem künstlichen Gedächtnis und einem Verhaltensprozessor, der genau die Verhaltensmuster wiedergibt, die auch eine echte Person, in diesem Fall Edwin M. Stanton und Abraham Lincoln, an den Tag legten. Louis zweifelt am Projekt seines Partners. Der Grund dafür liegt darin, dass der Android von Maurys geisteskranker Tochter Priscilla, genannt Pris, Frauenzimmer entworfen wurde. Seit ihrer Entlassung auf Bewährung aus dem staatlichen Krankenhaus lebt sie wieder bei ihrem Vater. Louis ist von Pris und ihrer Art hin und her gerissen. Auf der einen Seite mag er sie, auf der anderen Seite lehnt er ihre Gefühlskälte, Ehrgeiz und Skrupellosigkeit ab. Pris nimmt keinerlei Rücksicht auf seine Gefühle, und sein Selbstbewusstsein, von Anfang an nicht sonderlich ausgeprägt, schwindet in ihrer Anwesenheit gegen Null. Louis wird von Pris wie ein Automat, ein Simulacrum, behandelt. Als sich Louis wegen seines Verhaltens und Unsicherheit ärztlich behandeln lassen will, kommt ihm der Arzt Horstowski auch wie ein Automat vor. Aus Übermut gibt er sich ebenfalls als Simulacrum aus, was den Arzt überhaupt nicht verwundert. Da sein Selbstbewusstsein ebenfalls einen Knacks enthält, gibt er sich fortan selbst als Simulacrum aus.
Das Thema eines künstlichen Menschen kommt bei Philip K. Dick immer wieder vor. So in den Romanen Simulacra oder Träumen Androiden von elektrischen Schafen, besser bekannt unter dem Filmtitel Blade Runner. Herr Dick geht mit dem Thema nicht nur wissenschaftlich um, er lässt auch immer wieder Ironie und Spott gegenüber der menschlichen Gesellschaft durchblicken. Im Vordergrund steht der Ich-Erzähler Louis mit einer überzeugenden Handlung. Die unerfüllbare Liebe des etwa 33-jährigen Louis zur 18-jährigen und damit minderjährigen Pris läuft praktisch als Nebenhandlung mit, obwohl sie eigentlich die Haupthandlung sein könnte und durchaus realistisch und einfühlsam beschrieben wird. Irgendwo bleibt die Handlung um die Simulacra auf der Strecke und wird erst wieder im 1964 veröffentlichten Roman Simulacra fortgeführt. Die deutsche Ausgabe erschien vor kurzem in der Philip K. Dick Edition beim Wilhelm Heyne Verlag. Allerdings kann ich beim Besten willen nicht verstehen, warum der falsche Titel der schlechten Tony-Westermayr-Übersetzung, Die rebellischen Roboter, durch den ebenso falschen Titel der Frank-Böhmert-Übersetzung, Die Lincoln-Maschine, ersetzt wurde. Ich persönlich würde den amerikanischen Titel We can Build You mit "Weil wir sie bauen können" übersetzen. Natürlich ist der Titel genauso wenig reißerisch wie das Buch selbst. In der heutigen Zeit, wo Space Opera und Landser im Weltraum den Ton angeben, ist der vierzig Jahre alte Roman eindeutig Nostalgie. Aber trotzdem immer noch aktuell.