Titel: Die letzte Festung Eine Besprechung / Rezension von Rainer Skupsch |
Vor 3700 Jahren brach als Folge eines interstellaren Krieges die Zivilisation auf der Erde zusammen. Die meisten Menschen verließen den Planeten - zurück blieben nur nomadisierende Stämme. 3000 Jahre später kehrte von Altair aus eine Gruppe von Ästhetizisten zurück. Man erbaute neun Burgen und lebte fortan ein Leben als den Wissenschaften und schönen Künsten zugewandte Edelleute, die alle anfallende Arbeit gentechnisch veränderten außerirdischen Sklaven überließen. Die wichtigste Sklavengruppe stellten dabei die Meks, die für die Menschen sämtliche handwerklichen, technischen und kriegerischen Aufgaben übernahmen. Nach weiteren siebenhundert Jahren kulturellen Stillstands revoltieren die Meks. Sie schließen sich zusammen, erobern eine Burg nach der anderen und massakrieren die Bewohner, die es für unter ihrer Würde halten, selbst gegen "minderwertige Lebensformen" in den Kampf zu ziehen, die sie irgendwie an Kakerlaken erinnern. Vance beschreibt den Untergang der vorletzten Burg, Janeil, mit beißender Ironie:
"Am Ende kam der Tod zu allen in gleicher Gestalt; und er hatte so viel Vergnügen an ihrem Sterben, wie es dieser essentiell reizlose Prozeß nur zuließ. Die Stolzen saßen über ihre schönen Bücher gebeugt oder diskutierten die Qualität einer jahrhundertealten Essenz oder streichelten ihre Lieblingsnymphe ..."
Schließlich bleibt nur noch die größte menschliche Burg übrig, Hagedorn. Vances Erzählung rückt vor allem drei (männliche) Clanoberhäupter der Burg in den Mittelpunkt des Geschehens. (Frauen kommen in diesem Text fast nicht vor.) Zuerst ist da Garr, ein in seinen Denkweisen festgefahrener Traditionalist. Claghorn dagegen ist Pragmatiker und Realist. Ihm ist klar, dass nichts ewig währt und der Mensch gesellschaftliche Veränderungen selbst initiieren muss, um nicht zu ihrem Spielball zu werden. Durch seinen Plan, die Meks auf ihre unwirtliche Heimatwelt zurückzuschicken, hat er unabsichtlich die Revolte ausgelöst. Und zuletzt ist da noch der junge Xanten, die eigentliche Hauptfigur. Vance wurde offensichtlich in dieser Geschichte von mittelalterlichen Versepen beeinflusst. Xanten ist sein junger, strahlender Siegfried, ein tollkühner Mann der Tat. Da die Burg sich auf die Dauer nicht allein wird verteidigen können, bringt Xanten Nomaden und "Außenseiter" (ein Sammelbegriff für alle Menschen, die in der Vergangenheit dem Leben in der Burg den Rücken gekehrt haben) dazu, mit ihm in den Kampf gegen die Meks zu ziehen. Als im Verlauf der Schlacht die Meks in Hagedorn eindringen, überleben nur die Burgbewohner, die die Courage haben, ihr Heim rechtzeitig aufzugeben. Die Traditionalisten um Garr werden niedergemetzelt.
Die letzte Festung weist einige wohlbekannte Merkmale von Vance-Texten auf. Die höfische Gesellschaft Hagedorns gibt ihm einerseits die Gelegenheit, exzentrische Bräuche und exotische Lebewesen zu beschreiben. Andererseits dient sie ihm auch dazu, eine Extremform städtischen Lebens zu karikieren. Burg und Umland bilden dabei ein typisch amerikanisches Gegensatzpaar: hier die Burg mit ihrer überfeinerten (lies: lebensuntauglichen) Kultur, die ihren Einwohnern zum Gefängnis geworden ist; dort die weite, authentische Welt, die Mühen, aber auch Freiheit bietet.
Es ist nicht zu übersehen, dass Vance Xantens Mut und Entschlossenheit für vorbildlich hält. Bis zum Ende wurde mir allerdings nicht klar, wie weit Vances Heldenverehrung geht. Xanten ist nicht fehlerlos. Vor allem seine Standesdünkel treten häufig zutage. Aber es ist auch dieses von Zweifeln unbelästigte Selbstverständnis, das Xanten erst zu seinem heldenhaften Verhalten befähigt. In Gefahrensituationen stürzt er sich einfach hinein, weil er es z. B. unehrenhaft fände, sich an einen Raumschiffhangar kriechend (!) anzuschleichen. Als er die Nomaden auf seine Seite ziehen will, fährt er mit seinem Kampfwagen forsch unter hundert Krieger und spricht den immer wieder gern gehörten Bringt-mich-zu-eurem-Anführer-Satz. Und nachdem Xanten einen Mek-Anführer überwältigt hat, setzt er ihn ungefesselt (!) hinten in seinen Kampfwagen: "Der Mek machte eine verstohlene Bewegung. Xanten wandte nicht einmal den Kopf nach ihm. Er hob nur die Peitsche. Der Mek saß wieder still." Ich fragte mich bei der Lektüre mehrmals, ob Vance bei der Beschreibung Xantens ironisch sein wollte oder ob er einfach unfreiwillig komisch war. Das angeführte Zitat ließ mir beim ersten Lesen vor Jahren jedenfalls das Wort "Herrenmensch" über die Lippen entschlüpfen ...
Die letzte Festung ist ein Roman in Novellenlänge. Durch seine fast ausschließliche Konzentration auf den Helden und dessen Auseinandersetzung mit hässlichen Aliens (kämpfend) bzw. den verschiedensten Menschengruppen (diskursiv) steht und fällt eine Bewertung der Geschichte damit, wie man zur Darstellung Xantens bzw. seiner Gegner steht. Meine Probleme mit der Heldenfigur habe ich bereits anklingen lassen. Leider sucht sich Vance bei den Gegnern oft ein zu einfaches Ziel für seine Ironie. Ich fand sowohl die `weibischen’ Schöngeister wie auch den Außenseiter-Pazifisten überzeichnet und hatte den Verdacht, dass Vance Intellektuelle generell gering schätzt. Darüber hinaus sind die ekligen Meks natürlich wieder einmal entschlossen, sich die Erde nicht friedlich mit den Menschen zu teilen - also: "Feuer frei!"