Reihe: Visionen (Band 2) Buchvorstellung von Ulrich Blode |
Science Fiction-Kurzgeschichten haben es schwer in Deutschland. Professionelle Veröffentlichungsmöglichkeiten gibt es nur wenige. nova, Internova sind Magazine, die sich auf Stories konzentrieren und Space View und C’T bringen in jeder Ausgabe zumindest eine Geschichte. Helmuth W. Mommers Visionen ist ein Jahrbuch für Kurzgeschichten. Hier präsentieren vor allem die bekanntesten deutschen Science Fiction-Autoren ihre Ideen einer anderen Welt.
Den Anfang macht Rainer Erler mit "An e-Star is born" und er zeigt die Möglichkeiten virtueller Persönlichkeiten auf. Können beim Film zickige Stars recht schwierig sein, wird das Problem durch den Computer gelöst.
Thorsten Küper widmet sich in "Spiegelbild des Teufels" Menschenexperimenten und geklonten Menschen. Der Klon eines menschenverachtenden Unternehmers und Wissenschaftlers ist auf dem Weg seine eigene Identität zu finden.
"Was Neulich im Garten Eden geschah", erzählt Ernst Vlcek auf humorvolle Weise. Es ist eine Science Fiction-Variante der Schöpfungsgeschichte. Kleine Kritik am Rande: Leider meint Vlcek, dass es ein Apfelbaum sein muss, von dem Eva die Frucht nahm.
Wahrhaftig kafkaesk geht bei Tobias Bachmann zu. "Die fehlende Stunde" ist ein Labyrinth zwischen Realität und Virtualität, bei dem sich Anklänge an Kafkas Das Schloß finden. Demgegenüber ist "Planck-Zeit" von Michael K. Iwoleit Science Fiction reinsten Wassers und mit Überlegungen zu den Naturgesetzen und den kleinsten Teilchen der Materie.
Eine Alternativwelt ist "Hitler auf Wahlkampf in Amerika". Oliver Henkel treibt es besonders zum Ende der Geschichte hin auf die lustige Spitze, als ein Übersetzer die verworrenen Machtträume Hitlers durchkreuzt. Dennoch ist diese Alternativwelt teilweise nicht nachzuvollziehen und um Wahlkampf dreht es sich kaum in der Geschichte.
Ob "Ausgleichende Gerechtigkeit" von Frank Borsch Science Fiction ist, sei mal dahingestellt. Harvey, das Kaninchen, hilft einer Freundin Gerechtigkeit zu erlangen. Das Beschädigen eines Fahrrades führt zur Verwüstung der Wohnung des "Verbrechers" durch die Gerechtigkeitsliga. Ziemlich witzig erzählt.
Thomas Thiemeyer legt mit "Materia Prima" eine schwache Geschichte vor. Ein Patient erfährt beim Psychiater, dass seine 'Wahnvorstellungen' wahr sind: Die Menschheit ist genetisch dazu ausersehen per Treibhauseffekt die Erde für Außerirdische zu terraformen. Dass ausgerechnet die Lösung durch den Psychiater, der auf der anderen Seite steht, präsentiert wird, ist nicht nachzuvollziehen. Der Patient wird dadurch geradezu auf die Idee gebracht, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Das Ende ist dementsprechend schlecht vorbereitet.
Andreas Winterer macht mit "Cosmo Pollite und der Zwischenfall" im InterStellar Express eine kleine Hommage an Action-Filme. Die Roboter von Bot-Power nehmen den InterStellar Express als Geisel und fordern Freiheit für ihresgleichen. Eine echt witzige Erzählung um kuriose Gestalten.
Warum Marcus Hammerschmitt als der anspruchsvollste Science Fiction Autor angesehen wird, beantwortet die Geschichte "2 hoch 64" nicht. Und das sei auch alles zu dieser Kurzgeschichte gesagt.
"Weiter oder Raus" ist die Übersteigerung des Medienwahns. Andreas Gruber schildert den Leidensweg von Showkandidaten, die auf dem Weg zum erhofften Millionengewinn sich verstümmeln lassen müssen. Nette Idee, die aber hinsichtlich ihrer Folgen einfach nicht ausgebaut werden. Z. B. wird das dazugehörige Gesellschaftssystem nicht näher erörtert. Und so bleibt wie bei Thiemeyer und Hammerschmitt, auch bei Gruber ein leeres Gefühl zurück, das es bei einer längeren Geschichte nicht nur auf die Pointe ankommen kann, die zudem gut vorbereitet sein soll.
Bei "Schätze der Zukunft" von Desirée und Frank Hoese handelt es sich um Zeitreisen. Ein Institut übernimmt die Aufgabe Wertvolles aus der Vergangenheit zu retten, bis man selber ins Visier der Zukunft gerät.
Eindeutiges Highlight ist "Die Legende von Eden". Frank Haubold vermischt Space Opera mit Inner Space. Neben mysteriösen Angriffen Außerirdischer geht es um das Verschwinden von Kolonisten und anderen Existenzformen.
Letztlich bietet die Anthologie Visionen gute Unterhaltung, durchaus empfehlenswert.