| Serie/Zyklus: Die Klippenland-Chroniken 1 3 CDs, Lauflänge ca. 235:35 Minuten, Eine Besprechung / Rezension von Wiebke Schiefelbein (ElvenArcher). |
Verlasse nie den Weg! - Ist das Motto nach dem die Waldtrolle im Dunkelwald leben, denn jenseits des Weges laueren viel Gefahren und ganz besonders der gefährliche Schleimschmeichler.
Eigentlich ein ganz einfaches Motto, mit dem man gut zurecht kommen sollte, es sei denn man ist anders und - wie es der Weise des Dorfes ausgedrückt hatte - was besonderes. Der 12jährige Twig ist so jemand, so jemand der anders ist. Er ist ein Findelkind, das erst mit 3 Jahren zu sprechen begann und das nun bereits alle anderen im Dorf um Haupteslängen überragt sowie immer wieder den Drang verspürt den Weg zu verlassen. Klar, daß so jemand nicht wohlgelitten ist und das bekommt er von den anderen immer wieder deutlich gezeigt. Seine Pflegeeltern lieben ihn jedoch von ganzen Herzen und als ein Himmelspirat den Jungen sieht und Interesse vermeldet - den so lange Kerle wie Twig könne man immer gebrauchen - wissen sie nur einen Ausweg. Sie schicken ihren geliebten Twig auf die Reise zu Verwandten, wo er bleiben soll, bis die Piraten ihn vergessen haben.
So macht sich Twig auf die Reise durch den Dunkelwald und es kommt wie es kommen muß, nicht lange unterwegs verdrängt er die Ermahnungen seiner Mutter Smelda und verläßt den Weg. Schnell hat sich Twig verirrt und findet nicht zurück zum "richtigen" Weg. Auf sich allein gestellt und völlig unbedarft wandert der Junge nun durch den gefährlichen Dunkelwald.
Twig meistert viele Gefahren wie den Schwebewurm, den Wiegeliedbaum, den Faulsauger, das Skalpell und die Bluteiche, er lernt aber auch neue Freunde kennen wie die Schlächter, den Raupenvogel, einen Banderbären und die Plapperdrude. Eine Zeitlang ist er sogar das Schoßtierchen einer Höhlenfurie in spe. Aber seine Reise durch den Dunkelwald ist erst zu Ende als er den Himmelspiraten begegnet, seinen wirklichen Vater findet, ihn wieder verliert und sich dem Schleimschmeichler stellen muß.
Nicht wirklich widersteht er dem gefürchtetesten Wesen des Dunkelwaldes und nur das Eingreiffen des Raupenvogels, bei dessen Schlüpfen er Zeuge war, verhindert das Schlimmste. Und der Raupenvogel bringt ihn dorthin, wo sein Weg weitergeht - jenseits des Dunkelwaldes...
Paul Stewart und Chris Riddell verstehen es eine völlig fremde Welt zu erschaffen. In welcher Variationen der typischen Fantasy-Archetypen und gute neue Ideen etwas völlig Neues schaffen und ein stimmiges Gesamtwerk bilden. Eine Welt, die obwohl sie phantastisch ist, doch realistisch und echt wirkt. Eine Welt, die es - so wie sie ist - irgendwo geben könnte. Eine märchenhafte Welt, die voller Gesichten steckt.
Sicherlich wird dies durch die sehr schönen Illustrationen von Chris Riddell unterstützt, die gerade bei diesem Hörbuch lange Charakterbeschreibungen unnötig machen - denn ein Blick in das kleine Begleitheftchen und man weiß wie Mumsie und Mag, die Höhlenfurien aussehen, und anhand dieser Zeichnungen kann man sich den Rest sehr gut vorstellen. Riddell beweist ein riesiges Können und Talent und gibt dem Leser/Zuhörer mit einem einzigen Bild eine ganze Welt.
Die Charaktere sind gut durchdacht und verhalten sich ihrem Alter und ihrem Wesen entsprechend. Wobei - und hier kommt die klassische Kindergeschichte oder das klassische Märchen zum tragen - es immer eindeutig ist, ob ein Charakter gut oder böse ist. Verdeutlicht wird dies zusätzlich in der Art wie Volker Niederfahrenhorst die Charaktere spricht.
Die Geschichte an sich ist eindeutig ein Anfang - ich vermute, daß es weniger Spaß macht irgendwo mitten in den Chroniken anzufangen, da hier viele Grundsteine gelegt werden. Twig im Dunkelwald ist in sich aber abgeschlossen, so daß man nicht sofort mit dem zweiten Teil weiter machen muß. Es bleibt eigentlich nur eine wirklich drängende Frage: Wie geht es mit Twig weiter? - alle anderen Fragen sind geklärt.
Die Sprache und auch die Art und Weise wie Twig seine Abenteuer erlebt ist dem jugendlichen Publikum angepaßt, doch ohne Zweifel, ist das ganze auch empfehlenswert für junggebliebene Erwachsene. Denn Stewart macht nicht den Fehler die Dinge zu beschönigen oder zu stark zu vereinfachen, sie kindisch wirken zu lassen. Alle Aspekte des Lebens kommen zum Tragen und er scheut sich auch nicht vor der Darstellung des Todes - Wenn er auch auf eine drastische, plakative Darstellung verzichtet, sondern auf die Vorstellungskraft des Zuhörers vertraut und so das Geschehen noch entsetzlicher und echter wird.
Überhaupt sind der Tod und die Gefahr Zentralthemen der Geschichte. Ständig muß sich Twig seiner Haut erwehren und versuchen zu überleben, mal völlig auf sich allein gestellt, mal mit Hilfe von Freunden oder völlig Fremden. Paul Stewart zeigt damit auf, daß das Leben ein ständiger Kampf ist und man immer auf der Hut sein muß. Er sagt aber auch, daß es immer einer Lösung gibt und daß man auf sich selbst vertrauen muß. Denn wie Twig erkennt, ist niemand unbedeutend und jeder ist etwas besonderes. Außerdem ist es nichts Schlimmes wenn man auch mal auf die Hilfe anderer zurückgreift, manche Probleme lassen sich gemeinsam eben besser bewältigen, als alleine.
Eine weitere Moral dieser Geschichte ist es auch, daß man sich seinen eigenen Weg suchen muß und es nicht immer die beste Lösung ist, wenn man den Weg nimmt, den alle anderen vor einem gegangen sind und den sie nie verlassen haben. Für die Waldtrolle ist die Devise: Verlasse nie den Weg! nicht verkehrt. Ihr Leben läuft in geordneten Bahnen und für sie würde es das Verderben bedeuten den Weg zu verlassen, doch für Twig ist es genau andersherum.
Seine Wanderschaft durch den Dunkelwald, fern von jedem Weg, läßt ihn seinen eigenen Wert erkennen, einen Wert den er im Dorf der Waldtrolle nie gefunden hätte. Mit diesem Wert findet er auch seinen "richtigen" Weg und seinen Platz in seiner Welt.
Kurzweilig und sehr unterhaltend weiß Volker Niederfahrenhorst die Geschichte zu erzählen. Jeder Figur gibt er eine eigene Stimme, variert gekonnt Modulation und Stimmlage. Er spricht das ganze mit so viel Gefühl, daß er die Figuren zum Leben erweckt. Einfach köstlich ist es der Plapperdrude zuhören, wie sie im Gespräch ihre Augen leckt, oder den Himmelspiraten, deren Koch Tem Waterbork ein echter Seemann ist und dessen norddeutscher Akzent gerade für mich wie ein Stück Heimat wirkt.
Es macht unheimlich Spaß Volker Niederfahrenhorst zuzuhören und sieht die Figuren fast bildlich vor sich - Wenn man dann noch das Begleitheftchen zur Hand nimmt, wo die Protagonisten abgebildet sind, dann hat man sie wirklich vor Augen und Niederfahrenhorsts Darstellung paßt.
Untermalt wird das ganze von atonale Musik und ein paar Soundeffekten. Eine sehr fremdartige Kulisse, die sich perfekt in die Erzählung einpaßt und die verschiedenen Stimmungen sehr gut verstärkt.
Eine schöne Geschichte, die zum Lachen bringt, zum Fürchten und zum Weinen, wenn ein guter Freund sich für Twig opfert. Eine Geschichte, die ich sicherlich weiterverfolgen werde und - so wie ich mich kenne - werde ich hier das Geld investieren und mir sowohl die Bücher als auch die Hörbücher kaufen - solange wie Volker Niederfahrenhorst sie spricht.
Von mir 10 von 10 Punkten!
- Juli 2005 -
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite.
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Themenbereich "Phantastik für Kinder und Jugendliche"
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