Serie: Magic Edition #2 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Im Vergleich zur Erstausgabe des Jahres 1964 wurde der Roman vom Autor etwas modernisiert und der Jetztzeit angepasst, indem Fontenay politische und ökologische Gesichtspunkte berücksichtigte. Ein gravierender Kritikpunkt an seiner eigenen Regierung ist dabei die Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls. Von vielen Kritikern und vor allem von Fontenays Lesern wurde dieser Roman als sein bester angesehen. Dennoch dauerte es vierzig Jahre, bis er als deutsche Übersetzung erschien. Für lange Zeit war das sein letzter Roman. Der Hintergrund, ob nun fallender Komet oder explodierende Kernkraftwerke, spielt keine große Rolle. Es geht in dieser sozialkritischen Erzählung darum, die Technikgläubigkeit des Menschen in Frage zu stellen. Gleichzeitig ist es eine eher ökologische Science Fiction, die die Haltung des Menschen zu seiner Umwelt verändern soll. Damit ist Charles L. Fontenay einer der ersten Öko-SF-Autoren. Mit seiner etwas naiven und mit Klischees behafteten Handlung kam er jedoch nicht in die erste Reihe der SF-Autoren. Gleichzeitig zeigt er an, dass unsere Zivilisation sehr zerbrechlich ist und einer Naturkatastrophe, ob natürlich oder selbst gemacht, hilflos gegenüber steht. Werfen wir einen Blick auf die Handlung. Die globale Erwärmung macht der Erde und damit der Menschheit heftig zu schaffen. Die Gletscher und die polaren Eismassen der Arktis und Antarktis schmelzen dahin. Der Wasserspiegel des Meeres steigt an und droht ganze Küsten ins Landesinnere zu verlegen. Die Politiker sind jedoch weiterhin der Meinung, alles sei kontrollierbar. Die Katastrophe lässt nicht lange auf sich warten. Wie damals in der sibirischen Taiga prallt ein Komet mit der Erde zusammen. Der Einschlag im Atlantik sorgt für eine riesige Tsunamiwelle, die die Küsten der Kontinente heimsucht und Tod und Verderben über die Menschheit bringt. Gleichzeitig werden die Kontinentalplatten um einige hundert Meter abgesenkt. An dieser Stelle übertreibt Herr Fontenay, was zu unfreiwilliger Komik führt, denn die tektonischen Platten schwimmen nicht auf dem Wasser und daher kann auch kein Kontinent unter Wasser gedrückt werden. Die Summe dieser Ereignisse sorgt für eine weltweite Panikwelle unter den Menschen. Eine Küstenflucht setzt ein, um in höhere Lagen zu gelangen. Dieses Verhalten sorgt gleichzeitig für einen sozialen Konflikt, denn die höheren Lagen sind bereits bewohnt. Vor dem Hintergrund nicht nur der Möglichkeit, sondern des tatsächlichen Abschmelzens des Gletscher- und Poleises, sowie des möglichen erneuten Einschlages eines Meteors, sind Katastrophenszenarien nicht unmodern. Ja, sie sind sogar glaubwürdig. Das beste Beispiel ist natürlich die Tsunamikatastrophe im Dezember 2004 in Indonesien. Die Katastrophe ging durch die Medien in aller Welt und rief nicht nur Betroffenheit hervor.
Das Chaos vor Augen lässt der Autor eine sechsköpfige Gruppe stellvertretend für die Menschheit den Überlebenskampf ausfechten. Der Wissenschaftler Brand Caravel ist der Wissenschaftler schlechthin. Er steht eindeutig für den geistig hochstehenden Menschen, in dessen Lebensmittelpunkt das Streben nach Wissen und Weisheit steht. Er will die Natur der Welt verstehen um in ihr leben zu können. Brand scheitert jedoch an seiner eigenen Ausbildung. Seine Fähigkeiten, die Natur zu verstehen, reichen nicht aus, in ihr zu überleben. Der Unternehmer Ashley Garland ist eindeutig der machtbesessene Mann, der seine Mitmenschen bis ins Kleinste kontrollieren und beherrschen will. Er lebt nach der Bibelspruch "Macht euch die Erde" - und zusätzlich die anderen Menschen - "untertan". Sein hemdsärmeliger Einsatz von körperlicher und geistiger Stärke scheint geeignet zu sein, die kleine Gruppe dazu zu bringen, in der feindlich gewordenen Umwelt zu überleben. Doch auch er scheitert. Der Pfadfinder Jimmy Haggard sucht die Anpassung an die Natur. Er will sie sich weder untertan machen, noch will er sie wirklich verstehen, er will mit oder besser in ihr leben. Die Harmonie zwischen sich und der Natur, das seelische und geistige Gleichgewicht ist das Ziel seiner Suche. Jimmy Haggard scheitert jedoch an der Urgewalt der Natur. Er hat keine Chance, sich wirklich mit ihr zu arrangieren. Keiner der drei Vertreter der unterschiedlichsten Weltanschauungen zeigt sich den Herausforderungen des Autors gewachsen. Und letztlich Camilla Blackthorne und ihre Eltern. Gemeinsam sind sie eine bunt gemischte Gruppe unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft. Auf der Flucht vor der Riesenwelle und der nachfolgenden Flut verlassen sie die Metropole New Agros. Gleichzeitig suchen sie die Einsamkeit, wo sie vor den ebenfalls flüchtenden Menschenmassen aus der Metropole geschützt sind. Gleichsam mit der Flucht in die gar nicht mehr so einsame Wildnis geht auch ein Verlust der Zivilisation einher. Der Mensch lässt nicht nur die Technik hinter sich, sondern auch seine Menschlichkeit und die Errungenschaften des sogenannten zivilisierten Lebens. Schnell entwickeln sich in der Gruppe zwei führungswillige Persönlichkeiten. Auf der einen Seite steht der skrupellose Unternehmer Ashley Garland. Hier verfällt der Autor wieder in das Klischee "Geld regiert die Welt". Dem gegenüber steht der moralisch höher stehende Wissenschaftler Brand Caravel. Zudem möchten alle drei Männer vor der attraktiven Tochter der Blackthornes eine gute Figur machen. Sie ist die einfache Verkörperung des Eva-Prinzips, die einzige `freie’ Frau der Gruppe, die jeder Mann für sich beanspruchen will. Der Roman beschreibt gekonnt die Veränderungen einer Welt und die darauf folgenden Reaktionen des Menschen. Thema ist die zunehmende Verrohung des Menschen. Recht und Gesetz verlieren ihre Gültigkeit. Überleben wird, vielleicht, der rücksichstlosere Mensch, das Recht des Stärkeren zählt. Zusammenfassend kann man sagen, der Mensch fällt in der Entwicklung zurück, ein negativer Darwinismus setzt ein. Mit dem Rückzug in die Natur setzt auch ein Rückzug in eine Art gesetzlosen Raum ein.
Das Buch ist durch die Modernisierung zeitlos aktuell. Es hinterlässt bei mir aber dennoch einen zwiespältigen Eindruck. Zeitkritisch gesehen ist es durchaus gelungen. Logisch gesehen komme ich nicht ganz zum gleichen Schluss. Das wirkt sich auf meinen Lesespaß aus.