Serie / Zyklus: Die Legenden von Phantásien Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Vor langer Zeit hatten die Nebelzwerge die wichtige Aufgabe, ganz Phantásien zu bereisen, Geschichten zu sammeln und die Geheimnisse hinter den Wörtern zu entdecken. Damit bewahrten sie die Bewohner Phantásiens vor einer grossen Bedrohung, die dem wörterverschlingenden Nichts entstieg. Dem Alp.
"Die Zeit ist gekommen" ist ein unheilvoller Satz, den der Uralte Jorge voller Sorgen ausspricht. "Die Zeit ist gekommen" für die Nebelzwerge, denn der Alp kehrt zurück und in seiner Begleitung ist der gefürchtete Sammler. Der Sammler ist zurück, der Gedächtnisräuber, der den Nebelzwergen alles nimmt, was ihnen am Heiligsten ist. Die Welt der Geschichten, die die Zwerge in ganz Phantásien sammelten. Als Bewahrer von Worten und Geschichten spielten die Nebelzwerge eine grosse Rolle in Land der Phantasie. Bevor sie sesshaft wurden, zogen sie von Ort zu Ort, um die seltsamsten Erlebnisse, Sagen und absonderlichen Begebenheiten aufzuzeichnen und zu sammeln. Ebenso seltsame Namen und Begriffe, deren Geheimnis hinter den Wörtern stand und die sie lüften wollten. Dies war die Aufgabe der Nebelzwerge. Eine verantwortungsbewusste und anstrengende, aber zugleich auch eine schöne und zugleich fesselnde Angelegenheit, wenn neue Geschichten aufgezeichnet werden konnten. Jetzt sitzen die Nebelzwerge in ihrer Heimat Nifeln und verlassen sie nur noch selten. Die ruhmreiche Vergangenheit gehört selbiger an und selbst die Nebelzwerge scheinen zu einer Sage in Phantásien zu werden. Zudem ist die älteste und ruhmreichste Familie der Zwerge, Familie Gurn, am Ende. Sie hat keinen männlichen Nachkommen mehr, sondern nur eine Tochter, die auch noch stottert. Damit kann sie keine gute, ach was sage ich, überhaupt keine Geschichtenerzählerin werden.
Das junge Mädchen Kiray hat es als Behinderte nicht leicht. Egal in welcher Bevölkerungsschicht oder Gesellschaftsform. Nirgends wird sie als vollwertiges Mitglied des Zwergenvolkes angesehen. Und ist das nicht genug, trifft sie auf den uralten Feind der Nebelzwerge. Scheinbar aus dem Nichts taucht der Alp auf. Sein Ziel sind die Nebelzwerge im Allgmeinen und Kiray im Besonderen. Nur dem selbstlosen Eingreifen des Jungen Atréju verdankt es Kiray, dass sie ihm nicht sofort zum Opfer wird.
Das Land der Nebelzwerge, Nifeln, bietet ihr keinen Schutz. Im Gegenteil, der Alp fällt über die Zwerge her und hinterlässt eine hirnlose Meute von Nebelzwergen, die von wenigen Normalen betreut werden. Damit ist Kiray, die Behinderte mit dem Sprachfehler, die Normale. Welch Ironie des Schicksals. Und doch ist es das Schicksal, das ihr noch eine andere Rolle zugedacht hat. Atréju bittet sie, auf die Suche zu gehen, nach der Herrin der Worte, eine Aufgabe, die sich ihr Vorfahr Molte Gurn setzte und nicht erfüllen konnte. Jetzt liegt es bei der jungen Nebelzwergin, diese Aufgabe zu erfüllen.
Bevor sie jedoch ihr Ziel erreicht, muss sie viele Abenteuer bestehen und seltsame Orte erkunden, wie zum Beispiel ein Kloster, das aus niedergeschriebenen Geschichten besteht.
Peter Dempf gehört zu den deutschen Autoren, die auf vielerlei Hochzeit tanzen. Seine literarischen Wege führen überall hin, so auch in das Land Phantásien von Michael Ende (siehe phantastischer Bücherbrief 368).
Er wurde 1959 in Augsburg geboren und nach dem Abitur studierte er Germanistik, Geschichte und Sozialkunde. Bevor er Lehrer wurde, war er jedoch als Dozent für Deutsch als Fremdsprache und als Rhetorik-Trainer für Industriebetriebe tätig. Mit seiner Frau und vier Kindern lebt er heute in Stadtbergen, und ist an einem Münchner Gymnasium als Lehrer für Deutsch und Geschichte tätig ist. Seit 1983 schreibt er Beiträge für Funk und Fernsehen, Drehbücher, Romane, Erzählungen und anderes mehr. Sein Hauptaugenmerk gilt dabei jedoch historischen Themen, die sich in seinen Beiträgen wie ein roter Faden hindurchziehen.
Peter Dempf ist ein phantastischer Erzähler, der mit diesem Legendenbuch einen weiteren erfolgreichen Baustein für das Land Phantásien setzt.
Ich weiss nicht, wie andere das sehen, denn zu dem Zeitpunkt da ich diese Buchbesprechung schreibe, habe ich noch keine zu diesem Buch finden können, aber mir gefielen die Nebelzwerge nicht als Geschichtensammler. Sie sind sehr nett und passen in das Land, aber mir selbst wäre ein rasendes Gerücht oder andere wie Barden und Spielleute, sehr viel lieber gewesen. Doch ich will nicht über etwas schreiben, was nicht ist.
Das Buch passt sehr gut in die Erzählwelt des Michael Ende hinein. Der nächste Kunstgriff, Atréju erscheinen zu lassen, ist ebenfalls gelungen. Mit ihm als Nebenfigur gewinnt unsere Heldin noch etwas mehr an Profil. Des weiteren sind die Erwähnungen von Begriffen aus der Unendlichen Geschichte sehr hilfreich, denn als Leser verbindet man damit bestimmte Vorstellungen und damit lässt sich das Buch sehr schnell in diesem Teil des phantastischen Universums ansiedeln und einordnen.
Das Buch selbst ist handwerklich wirklich schön gemacht. Das Titelbild, die Vorsatzseiten, die nichtschwarze Schrift, die Vignetten, das Lesebändchen. Alles spricht für ein gutes Buch. Die Unterteilung in Kapitel ist gelungen, jedes Kapitel beginnt auf einer rechten Seite, aber warum so viele Kapitel? Manchmal habe ich den Eindruck, einen Kuchen zu haben mit vielen kleinen Teilen und keinem grossen Ganzen. Sehr schön ist die Idee, dass jeder meint, egal in welchem der inzwischen sechs Bände, er habe Phantásien gerettet. Doch nimmt man alles zusammen, so hat jeder ein wenig Phantásien geholfen, am Leben zu bleiben. und mit jeder kleinen oder grösseren Erzählung zu Michael Endes Roman, wächst Phantásien wieder ein Stück. Daher sehe ich die Rettungsmissionen der bisherigen Heldinnen und Helden durchaus wohlwollend. Aber vielleicht gibt es ja auch mal eine Erzählung, wo das Land nicht gerettet wird?
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