Titel: Die Haarteppichknüpfer Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Leider, so muss man sagen, hängt der deutschen SF der Ruf nach, nur schlechte Werke zu produzieren. Tatsächlich, so scheint es, ist dieser Ruf bis auf wenige Ausnahmen auch gerechtfertigt. Deutsche Autoren wie Wolfgang Hohlbein verstehen es mit Erfolg, ein Massenpublikum mit Massenware zu versorgen. Das ist allerdings nichts, was ich als herausragend bezeichnen würde. Bei Perry Rhodan, sozusagen dem Aushängeschild deutscher SF, bewegt sich das Ganze in ähnlichen Bahnen. Ziel ist das Massenpublikum der Heftromanleser. Vieles ist oft hausbacken und wirklich hervorragende Romane sind seltene Ausnahmen. Aber das stört bei PR nicht. Die Faszination zieht der Leser aus soapoperaartigen Elementen sowie der Fortschreibung der Geschichte in die Zukunft. Man ist gespannt, wie es weitergeht und was als Nächstes kommt. Sicherlich macht es Spaß, PR zu lesen, aber hochwertige SF ist dies nicht.
Um meine provokativen Worte zu relativieren, sei gesagt, dass in allen Literaturgattungen herausragende Werke die Seltenheit sind (sonst könnten sie ja auch nicht herausragen) und auch die SF im englischsprachigen Raum sehr oft Romane schlechterer Qualität bietet. Nur werden solche Werke dann gar nicht erst ins Deutsche übersetzt und dies erweckt den Eindruck, angelsächsische SF sei besser.
Dass es aber gute SF-Romane - vor allem aber gut deutsche Werke - gibt, beweist Andreas Eschbach mit Die Haarteppichknüpfer. Dieser Roman weist wirklich eine sehr hohe Qualität auf, und auch wenn der Schluß ein wenig nachlässt, kann ich dem Autor nur zu seinem Werk gratulieren.
In einem abgelegenen Winkel der Galaxis leben Menschen, deren ganze Kultur sich um das Knüpfen von Haarteppichen dreht. Diese Teppiche sind nicht irgendeine Massenware - soviel ist klar - und sie sind so fein geknüpft, dass ein Knüpfer nur einen 2 m ² großen Teppich in seinem Leben fertigstellt. Die Entlohnung für diesen ist so fürstlich, dass sein Sohn davon sein ganzes Leben lang zehren kann, während er seinerseits einen Teppich knüpft.
Andreas Eschbach führt den Leser sehr geschickt durch diese Geschichte. Jedes Kapitel für sich ist eine neue Erzählung mit anderen Personen, die einen weiteren Aspekt der Haarteppichknüpferei aufdecken.
So ändert sich der Blick von einer Haarteppichknüpferfamilie hin zum ganzen Dorf, hin zum ganzen Planeten. Der ganze Planet knüpft nur Teppiche für den Kaiser, und es zeigt sich, dass es viele Planeten gibt, die dies tun. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kaiser längst gestürzt und tot ist. So versucht der Leser wie in einem Krimi, auf die Lösung des Ganzen zu kommen, die letztendlich so abartig willkürlich ist, dass man unter gar keinen Umständen darauf gekommen wäre.
Es spricht für dieses Buch, dass es mir außergewöhnlich gut gefallen hat, obwohl es, banal ausgedrückt, fast eine Kurzgeschichtensammlung ist. Aber dies wäre ungerecht, denn jede Geschichte treibt die Handlung meisterhaft ein Stück voran. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich das Bild der Weltordnung, das man sich macht, im Laufe des Buchs stark verändert. Mit den Geschichten wechselt man die Ebenen und sieht die Haarteppichknüpfer, mit denen man sich zu Beginn identifiziert hatte, als das, was sie sind: die Opfer der politischen Zustände der Galaxis.
So ist es sicherlich keine Überraschung gewesen, als Andreas Eschbach 1995 den SFCD-Literaturpreis gewann. Dass dieses Buch kein bloßer Glücksgriff war, bewies der Autor mit dem Buch Solarstation, das ebenfalls diesen Preis gewann. Die Haarteppichknüpfer ist ein spannendes, sehr gut geschriebenes SF-Werk, das man getrost jedem SF-Fan empfehlen kann. 10 von 10 Punkten. (Rezension von 1996)
Die Haarteppichknüpfer - Rezension von Oliver Faulhaber