| Serie/Zyklus: Theodore Sturgeon. Die besten Erzählungen (Band 2) Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Der Berliner Shayol Verlag ist spezialisiert auf anspruchsvoll nachdenkliche und hervorragend unterhaltsame Phantastik. Vor allem deutsche Autoren werden verlegt. Da Ausnahmen die Regel bestätigen, darf der brillante amerikanische Autor Theodore Sturgeon (1918-1985) nicht fehlen. Sturgeon wurde vor allem durch seine Kurzgeschichten bekannt, die vielfältig und wunderbar sind. Die Goldene Helix ist der zweite Band einer Sturgeon-Edition, herausgegeben von Hannes Riffel. Dieser hat eine sehr gute Auswahl für den Band vorgenommen.
Die versammelten Kurzgeschichten können in drei Kategorien unterteilt werden: Prosa, bei der die Science Fiction im Hintergrund steht, unheimliche Geschichten und Science-Fiction-Geschichten. Die Unterschiedlichkeit der Genres Horror und SF sollte aber den Leser nicht davon abhalten in die "fremd" anmutenden Geschichten hineinzulesen.
Bereits die erste Erzählung Der Mann, dem das Meer abhanden kam (1959) ist eine der denkwürdigsten Geschichten überhaupt und vereint die Erinnerungen eines ganzes Lebens in dem entscheidenden Moment, als das Ziel des Daseins erreicht wird. Laut Klappentext ist es "eine der besten Prosatexte der US-amerikanischen Nachkriegsliteratur". Die Science Fiction hat zuerst eine geringe Bedeutung und erst spät merkt der Leser, dass der Mann am Meer ein Astronaut in den Wüsten des Mars ist.
Herr Costello, Held (1953) ist eine Charakterstudie der Menschen, die manipulieren und die sich manipulieren lassen. Sturgeon geht sehr behutsam vor, so dass die Irrsinnigkeit von Herr Costellos Bemerkungen sich erst langsam bemerkbar machen. Und selbst dann stellt sich die Frage, nach dem Ausgang der Geschichte. Es ist eine mögliche Antwort auf die Beliebtheit von Diktatoren, die sich zuerst als Freund tarnen, aber alles sich merken und gegen die Mitmenschen verwenden können.
Die Fähigkeiten Xanadus (1956) zeigt die Seltsamkeiten von Eroberern, die alles aus ihrem Blickwinkel betrachten und sich nicht herrschaftslose Gesellschaften vorstellen können. Verändert sich das eroberungssüchtige Land bzw. unterliegen die Eroberer eine Form von Fremdherrschaft.
Ein junger Mann verliebt sich in Biancas Hände (1947). Das Mädchen ist geistig zurückgeblieben und nicht besonders schön, außer ihrer wundervollen Hände. Das Ende ist düster und mit Grauen überzogen, weil Verlangen auch zerstören kann.
Denkweise (1953) ist genauso unheimlich, geht jedoch subtiler vor. Kelley nimmt Rache für seinen Bruder, der vermutlich an einem Voodoo-Zauber starb. Er geht jedoch anders vor. Die Pointe hier zu verraten, würde leider den Schrecken nehmen.
Es (1940) war früher einmal Mensch, dessen Körper nun sein Unwesen treibt. Der Horror ist vordergründig, zeigt aber eine poetische Düsternis.
Das andere Geschlecht (1952) ist eine Mischung aus Krimi und Science Fiction. Zwei tote Menschen, die anscheinend miteinander verwachsen sind, führen einen Arzt und eine Journalistin zu einer unbekannten Menschenart. Diese gibt es bereits schon sehr lange und sie vermehrt sich durch Parthenogenese. Eine wunderschöne Erzählung mit etwas traurigen Happy End.
Die goldene Helix (1953) ist Science Fiction pur und schildert die Erlebnisse von Kolonisten, die auf einem unbekannten Planeten standen. Ihre Nachkommen entwickeln sich immer weiter zurück. Eine von unbekannten Fremden gesteuerte Entwicklung, die alles konzentriert und nur die Eigenschaften zurücklässt, die im Universum ausgesät werden. Die goldene Helix ist eine Science Fiction Geschichte par excellence und zeigt, dass der Mensch nur ein Samenkorn im Universum ist und das Menschliche nicht nur Bewusstsein bedeutet.
Ray Bradbury hat zu Theodore Sturgeon einen wunderbaren Text geschrieben, der auch für die vorliegende Anthologie gilt und deshalb eine sehr gute Einstimmung auf das Panorama der Kurzgeschichten darstellt. Er zeigt sowohl den Witz, das Unheimliche als auch die Tiefgründigkeit Sturgeons auf.
Der bibliographische Anhang besteht aus zwei Teilen, den bisher innerhalb der englischsprachigen Gesamtausgabe erschienen Texten und alle deutschsprachigen Sammelbände.
Der Band Die goldene Helix ist uneingeschränkt empfehlenswert. Herausragend sind die Erzählungen Der Mann, dem das Meer abhanden kam (ein Text, der im Deutschunterricht besprochen werden sollte), Herr Costello, Held, Die Fähigkeiten Xanadus und die Titelgeschichte Die goldene Helix.