Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Im Jahr 2008 besucht der amerikanische Journalist Charles Henry Winer zwei Orte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: In einem atomar verseuchten Landstrich trifft er auf Zentauren, gewaltige Spinnen und absurde Kopfflügler. Der Streifzug durch eine abstrakte, fremdartige Welt ist nicht ungefährlich, doch eine Zentaurin schützt ihn vor den Gefahren und verliebt sich in den fremden Mann. Der Abschied fällt schwer, doch Winer muss zu einen andere Ort aufbrechen, der Gelehrtenrepublik, einer künstlichen Insel im Ozean, auf der die intellektuelle Elite der Erde lebt und forscht. Doch schon bald zeichnet sich ab, dass die 5000 Menschen dort sich nicht ihrer kindheitlichen Prägung entledigen konnten und der Konflikt der Ideologien das Forschen überlagert.
Das Grundkonzept ist schon sehr ungewöhnlich, denn laut Fußnote ist dies eine Übersetzung in die tote Sprache Deutsch. Deutschland wurde im Zuge eines atomaren Kriegs, wie viele andere Teile Europas, vernichtet. Schmidt stellt sich jedoch das Deutsch der Zukunft anders vor und schreibt in einem sehr experimentellen Stil mit einer kreativen Interpunktion und weiteren phantasievollen Ergänzungen, die den Leser zunächst verwirren, aber es zeigt sich recht bald, dass der Text trotz allem recht gut zu lesen ist - zumal der Autor sehr flüssig und durchaus unterhaltsam schreibt.
Der Roman besteht aus zwei fast gleichgroßen Teilen und beschreibt zwei Reisen. Der Roman wurde 1957 verfasst, etwa zum Höhepunkt des Kalten Krieges und so verwundert es nicht, dass der Autor sich von den Szenarien einer teilweise atomar zerstörten Welt inspirieren ließ. So stellt sich der erste Abschnitt eher als Abenteuergeschichte dar, die von Mutationen und Abnormen erzählt und auch in dieser Hinsicht ein Spiegelbild der 50er Jahre ist. Dies trifft auch auf die sehr chauvinistische Handlungsweise des Helden und die unterwürfige Rolle der Frauen zu.
In der zweiten Hälfte beschreibt der Autor seine Insel der Gelehrten und dies ist als Analogie auf den Ost-West-Konflikt gedacht. Dabei kommt der Autor allerdings recht bieder rüber. Seine oft überzogenen Beispiele der Ausprägung beider Ideologien wirken aus heutiger Sicht wenig glaubwürdig und zu überzogen. So wird im Osten im armeeartigen Stil geforscht und die Bewohner marschieren im Stechschritt in die Bibliothek ein. Im westlichen Teil hingegen ist Dekandenz das prägende Element und die Bibliotheken sind verwaist, weil die Forscher dem gepflegten Nichtstun nachgehen. Zwangsläufig drängt sich dem Leser Jonathan Swifts "Gullivers Reisen" mit der schwebenden Insel Laputa auf. Doch auch wenn dieses Buch 200 Jahre älter ist, kann Arno Schmidt im Vergleich nicht bestehen. Der Zynismus des irischen Literaten ist feinsinniger und offenbart mehr von der menschlichen Seele. Aus geschichtlicher Sicht mag Die Gelehrtenrepublik interessant sein wegen der Zeitkritik, aber aus Genresicht ist es eher ein Reinfall.
6 von 10 Punkten