Serie / Zyklus: Magic Edition Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Der BLITZ-Verlag ist vor allem durch die Wiederveröffentlichung und Weiterführung von längst eingestellten Horror- und SF-Heftchenserien bekannt geworden. Daneben fanden sich in den unterschiedlichsten Reihen hin und wieder auch einmal Romane und Kurzgeschichtensammlungen, die aus dem Gesamtprogramm herausragten, wie die Romane der kurzlebigen Hardcoverreihe. Seitdem der Verlag sein Programm restrukturiert hat, sind mit Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek und nun neu Magic Edition für Phantastikleser zwei überaus interessante Reihen auf dem Markt erschienen.
In der Magic Edition erschien nun mit Pat Murphys "Die Geisterseherin" der erste Band. Angekündigt war er im BLITZ-Verlag bereits seit längerem, aber das warten hat sich gelohnt.
Für diesen Roman erhielt Pat Murphy den NEBULA AWARD, einen der wichtigsten Phantastikpreise der USA.
Der Roman beschäftigt sich mit der lange untergegangenen Kultur der Maya und gleichzeitig mit einer Mutter-Tochter-Beziehung.
Elizabeth Butler ist nicht nur Dozentin für Archäologie an der University of California, sondern auch eine leidenschaftliche Ausgräberin. Ihr zuhause ist nicht der Lehrsaal und die Universität, sondern die Ruinenstädte der Mayas, die vom Dschungel völlig überwuchert und nur noch in Bruchstücken vorhanden sind. Dies ist ihre Welt, hier blüht sie auf und findet ihre Erfüllung.
Eine solche Persönlichkeit ist für ein sie einengendes Familiendasein nicht geschaffen und so brach sie bereits in jungen Jahren aus ihrem Hausfrauen- und Mutter-Dasein aus, verließ ihren Ehemann und ihre kleine Tochter Diane und widmete sich ganz ihrer Profession.
Nun, Jahre später, tritt Diane als erwachsene und erfolgreiche Geschäftsfrau völlig unerwartet in ihr Leben. Auslöser hierfür ist der Tod ihres Ehemannes, der Diane immer von ihrer Mutter abschottete.
Beide sind sich völlig fremd. Diane kennt ihre Mutter so gut wie gar nicht und trifft nun im mexikanischen Dschungel auf eine für sie völlig Fremde. Elizabeth hingegen muß sich mit einem Male mit ihrem Kind beschäftigen und eine Beziehung zu diesem herstellen, denn Diane läßt sich nicht so einfach wieder aus dem Leben ihrer Mutter entfernen.
Diese Erzählebene bietet für den Phantastikleser gar nichts, wenn man mal von den starken Charakterzeichnungen der handelnden Personen absieht.
Eingefügt wird dies durch die Tatsache, dass Elizabeth in der Lage ist längst verstorbene Personen sehen zu können. Bei ihren langen Spaziergängen vor allem in der Dämmerung und im Morgengrauen begegnen ihr zwischen den Ruinen Mayas, die ihren Verrichtungen nachgehen. Teilweise ist Elizabeth sogar in der Lage ihre Worte zu verstehen. So gewinnt sie natürlich einen ganz anderen Einblick in die Kultur der Mayas, behält ihre Fähigkeit aber für sich, denn wegen dieser war sie bereits längere Zeit stationär eingewiesen worden. Für sie handelt es sich um eine Fähigkeit, die sie mit niemanden teilen kann, die sie gelernt hat als gegeben zu akzeptieren und für ihren Forscherdrang zu nutzen.
Ist die Beziehung zwischen Mutter und Tochter schon problemgeladen genug, erhält diese mit dem Auftauchen einer längst verstorbenen Maya-Frau das entscheidende Handlungselement. Diese Frau verfügt über die Fähigkeit über die Zeit hinweg mit Elizabeth zu kommunizieren und versucht sie für ihre Pläne einzuspannen.
Die Kommunikation und die dadurch langsam fortschreitende Veränderung bei Elizabeth fällt nicht nur ihrer Tochter auf. Aber niemand kann ihr behilflich sein in der Auseinandersetzung mit dieser Frau, die aus der Vergangenheit heraus Macht auf Elizabeth ausübt.
Der Roman entwickelt sich dann erwartungsgemäß, denn Diane rettet ihre Mutter aus den Fängen der Maya und beide kommen sich letztlich durch diese Ereignisse näher.
Der Roman zeichnet sich durch seine starken Charakterdarstellungen aus. Vor allem die beiden weiblichen Hauptfiguren, aus deren Sichtweise auch abwechselnd der Roman geschildert wird, sind ausführlich und tiefgehend dargestellt. Die Mutter-Tochter-Beziehung spricht sicherlich nicht jeden Leser an und so sollten sich diese mehr mit dem mysthischen Hintergrund befassen. Pat Murphy gelingt es sehr anschaulich, die für uns Europäern so völlig fremde Kultur der Mayas näherzubringen. In lebendigen Schilderungen auch von ganz alltäglichen Verrichtungen bekommt der Leser einen Einblick in diese Kultur.
Auf dem Backcover wird Pat Murphy als "amerikanische Vertreterin des Magischen Realismus" dargestellt, wohl um eine gewisse Einordnung dieses Romans vornehmen zu können. Als Leser sollte man sich von dieser Einordnung nicht beeinflussen lassen, sondern den Roman für sich sprechen lassen.
Da die Bücher des BLITZ-Verlags nicht über den Buchhandel zu beziehen sind, sei hier ausdrücklich auf die Verlagshomepage hingewiesen: www.blitz-verlag.de
Die Geisterseherin - Rezension von Frank Drehmel