Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Alles beginnt, als ob es sich bei der Überprüfung von George Orr um einen ganz normalen Drogenmissbrauchsfall handelte. Doch dann zeigt sich, dass der Delinquent eine panische Angst vor Träumen hat und diese mit Psychopharmaka zu unterdrücken sucht. Orr wird zur psychiatrischen Betreuung verpflichtet, denn Hilfe hat er nötig, behauptet er doch, seine Träume würden die Realität verändern.
Als seine Tante Ethel arbeitslos wurde und bei seiner Mutter und ihm einzog, träumte Orr sie in einem unachtsamen Traum hinfort. Der Psychiater William Haber glaubt zunächst nichts von der Geschichte, bis ihn ein Experiment unter Psychose überzeugt. Haber beginnt Orrs Träume zu steuern um zunächst für sich ein besseres Leben zu schaffen, aber auch um die Menschheit zu verbessern, denn Orrs Fähigkeiten scheinen keine Grenzen zu kennen. Doch irgendwie bringt jede Veränderung neue Probleme mit sich.
Der Roman gehört ohne Zweifel neben The Dispossesed und The Left Hand of Darkness zu den besten Romanen der Autorin. Dieser Roman insbesondere fällt ein wenig aus dem Rahmen des übrigen Schaffenswerks der Autorin, denn er wirkt fast so, als ob die Autorin den Roman als Verneigung vor Philip K. Dick empfunden hatte - das Thema hätte durchaus aus der Feder des berühmten Amerikaners stammen können. Doch das tut dem Roman keinen Abbruch. Die Geschichte, erstmals in ungekürzter Form auf Deutsch vorliegend, ist eine flotte Erzähltung voller interessanter Wendungen. Ständig wird der Leser mit Neuem konfrontiert doch den Protagonisten kommt dies völlig normal vor. Den einen Tag sitzt man in einer kleinen engen Wohnung, am nächsten in einem alten Mehrfamilienhaus. Hatte man vorher aufgrund von Nahrungsknappheit gehungert, isst man jetzt ein opulentes Frühstück.
Man könnte den Roman fast als Dystopie im klassischen Sinne bezeichnen, denn Ursula K. LeGuin beschäftigt sich ebenso mit der Frage, wie hoch der Preis einer glücklichen Menschheit ist, wie Aldous Huxley in seinem Klassiker Schöne neue Welt.
Zum Ende hin, und das ist bedauerlich, endet das Werk in einer klassischen Heldengeschichte. Das philosophische Thema wird dann vollends übergangen. Aber vielleicht interpretiere ich zu viel hinein. Die Autorin wollte wohl in erster Linie eine spannende Geschichte erzählen und das ist ihr zweifelsohne gelungen.
Joachim Körber gebührt großer Dank, dass er dieses wichtige Werk der Autorin erstmal ungekürzt übersetzt und verlegt hat. Beim Heyne Verlag ist man sehr rüde mit dem Buch umgesprungen, und trotz eines doch eher geringen Umfangs hielt man seinerzeit eine Kürzung um ein Fünftel für angebracht. Heute stimmt man ja überein, dass so ein Vorgehen einem Herabsetzten des Autors gleichkommt, aber bis in die 70er hinein nahmen sich die Verlage die Freiheit, Werke zu verstümmeln. Nun, hier wurde ein weiteres Mal Wiedergutmachung geleistet und so kann man die Geschichte nun endlich auch in vollständiger Fassung auf Deutsch lesen.
9 von 10 Punkten.
Rezension der alten Fassung aus dem Heyne Verlag