Titel: Die Frau des Zeitreisenden Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Henry De Tamble, Bibliothekar und Lebenskünstler, staunt nicht schlecht, als eine bildhübsche Frau namens Clare Abshire ihn anspricht und mit ihm gleich ohne ein längeres Gespräch ein Date vereinbart. Henry selbst sah verkatert aus und war unrasiert. Warum also ist die Frau, die ihn offensichtlich kennt, hinter ihm her? Sein Äußeres kann es nicht sein und sein Inneres kennt sie nicht, oder?
Nun, Henry kommt sehr schnell hinter das Geheimnis, denn das kann nur mit seinen Problemen mit der Zeit zusammenhängen. Immer wieder reißt es ihn aus der Gegenwart und schleudert ihn in die Vergangenheit oder auch - seltener - in die Zukunft. Mit seiner Vermutung, dass ein älteres Selbst Clare in der Vergangenheit begegnet, trifft er ins Schwarze. Tatsächlich haben sie sich etliche Male getroffen und unsterblich ineinander verliebt. So beginnt für Clare und Henry ein gemeinsames Leben. Doch Clare muss damit zurecht kommen, dass Henry immer wieder in den unmöglichsten Situationen und vor allem, wenn er unter Stress steht, verschwindet.
Der Roman schreitet im Prinzip chronologisch mit Clares Alter fort. Die Geschichte beginnt mit der ersten Begegnung zwischen Henry und Clare (aus Henrys Sicht - Clare kannte ihn ja zu diesem Zeitpunkt schon; Henry ist zu diesem Zeitpunkt 28 und Clare 20) und setzt dann dort an, als Clare zum ersten Mal Henry im Alter von sechs Jahren begegnet. Nachdem die Lücke bis zu der Szene in der Bibliothek geschlossen ist, schreitet die Erzählung fort und man erfährt wie beide heiraten und ihr gemeinsames Leben trotz der Widernisse planen.
Der Roman wird in der Ich-Form im Wechsel aus der Sicht von Clare und Henry erzählt. Wer gerade erzählt wird ebenso zu Beginn eines Abschnitt angegeben wie das Alter der Protagonisten. Beide Angaben sind für den Roman unbedingt notwendig, denn sonst wäre alles doch zu verwirrend.
Es mag seltsam klingen, aber obwohl die Zeitreisengeschichte eindeutig ein SF Thema ist, kann man diesen Roman nur bedingt als SF Werk bezeichnen. Das liegt zum einen daran, dass die Beziehung von Clare und Henry ganz stark im Mittelpunkt stehen und nicht die Zeitreisen, auch wenn sie der Aspekt sind, der den Roman so interessant macht. Und dann ist da noch die Art und Weise wie Audrey Niffenegger diesen Roman verfasst hat: Das Werk ist durch und durch amerikanisch - komplett mit Hochzeit, Familienfesten und Geheimnissen in der Verwandschaft. So erinnert der Roman eher an die tragik-komischen Werke von John Irwing (wie z. B. Garp oder wie er die Welt sah) als an einen SF Roman. Doch das bedeutet nicht, dass man als Freund der Phantastik einen Bogen um diesen Roman machen muss.
Das Spiel mit den Zeitreisen versteht ebenso anzusprechen wie die Beschreibungen der Beziehungen zwischen Clare und Henry, wenngleich das Buch zu Beginn der zweiten Hälfte einen leichten Durchhänger hat. Das Buch weist sehr humorvolle Szenen auf, als Henry sich selbst begegnet oder die Hochzeitsszene, in der Henry krampfhaft versucht, trotz des Stress nicht zu verschwinden. Doch es gibt auch tragische Passagen wenn beispielsweise Henry davon erzählte, wie er seine Mutter verlor.
Audrey Niffenegger ist Professorin und legt mit diesem Roman einen sehr gelungenen Grundstein für eine hoffentlich noch lange Schriftstellerkarriere. Ihr Erstlingswerk wurde ein Bestseller und bis jetzt liegen bereits 15 Übersetzungen vor.
Fazit: Der gefühlvolle Roman kann durchaus auch einem Freund der Phantastik ans Herz gelegt werden, solange dieser kein Problem mit amerikanischen, tragik-komischen Romanen hat. Die sehr komplexe Geschichte wird von Autorin Audrey Niffenegger gut strukturiert erzählt und bietet gute Unterhaltung. 8 von 10 Punkten.