Titel / Originaltitel: Die Flucht der Ameisen (2006) Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Beruf ist gleich Hobby; diese Gleichung bestimmt Gerhard Böhms Leben. In seiner Freizeit unternimmt der Geologe immer wieder Exkursionen in die Eifel, um nach geologischen Auffälligkeiten zu suchen. Dabei stößt er auf Ameisenstämme, die ein ganz besonderes Verhalten an den Tag legen und sich an Strömungen an der Erdkruste ansiedeln. Dies hilft ihm bei der Untersuchung einer neuen Strömung in der Erde, und während er noch die Daten auswertet, beschleicht ihn das Gefühl, dass sich etwas zusammenbraut. Ein Erdbeben kurz darauf bestätigt seine Vermutung nur noch. Leider sind die Mittel für Forschungen stark budgetiert, und so kann der Geologe der Sache nicht in dem Maße nachgehen, wie er wollte. Ein schlimmer Fehler, denn bald darauf bricht nach über 10.000 Jahren wieder ein Vulkan in Deutschland aus, und das Ergebnis hätte nicht schlimmer ausfallen können: Der neue Schlot leitet die flüssige Lava genau ins Rheintal. Nicht lange, und es beginnt sich ein Damm zu bilden. Der Rhein wird aufgestaut, und Städte wie Koblenz, Frankfurt, Mainz, Mannheim oder Heidelberg drohen im neuen Rheinsee zu verschwinden. Für die Menschen, allen voran Gerhard Böhm, beginnt nun ein unmächtiger Kampf gegen kaum fassbare Naturkräfte.
Ulrich C. Schneiders Debüt-Roman beschreibt eine Katastrophe, wie sie nur ein Geologe ersinnen kann. Dabei benutzt er den Begriff geokalyptische Vision. Dieser Neologismus beschreibt die Geschichte recht gut, die man auch als Katastrophenroman bezeichnen könnte. Dabei schreibt er sehr fundiert und verständlich über die Zusammenhänge. Dass er eine sehr exponierte Stelle für seinen Vulkanausbruch gewählt hat, ist natürlich ihm überlassen, aber wenn das Szenario in dieser Form eintreten würde, bestünde, das belegt der Autor recht eindrucksvoll, kein Zweifel an den Auswirkungen, wie sie im Buch geschildert wurden.
Während der Autor nun bei den genauen Beschreibungen der Katastrophe wirklich ganze Arbeit geleistet hat und deutlich zeigte, dass ihm solche Gedankenspiele liegen, zeigt sich bei den Personenbeschreibungen, dass mehr möglich gewesen wäre. Gerhard Böhm, seine Frau Kathrin und all die anderen Protagonisten wirken nicht immer überzeugend und sind manchmal etwas hölzern. Allerdings ist der Protagonist der Schlüssel für viele Leser, um von einem Roman richtig mitgerissen zu werden, und das gelingt leider nicht immer.
Dennoch: Die geokalyptische Vision von Ulrich C. Schreiber ist faszinierend und wirkt in einem noch nach - lange nachdem man den Roman beendet hatte. Immer wieder geht man gedanklich zurück und versucht sich vorzustellen, wie die Vision aussehen mag.
Fazit: ein durchaus gelungener Debutroman, der eine wirklich interessante Idee umfassend ausarbeitet und vor dem inneren Auge des Lesers realisiert. Es würde mich nicht überraschen, wenn dieser Stoff irgendwann verfilmt würde, denn diese Geschichte schreit förmlich danach, visualisiert zu werden.
7 von 10 Punkten