Serie/Zyklus: Canopus im Argos, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Al•Ith und Ben Atar sind entsetzt. Sie sollen einander heiraten und so für kulturellen Ausgleich sorgen, doch Zone 3 und Zone 4 könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Al•Iths Reich von freiem, ungezwungenen Umgang bestimmt ist und matriarchalisch regiert wird, herrscht in Ben Atars Reich permanent Krieg mit Zone 5, und das ganze Leben dort ist geprägt wie im alten Sparta. Als nun Al•Ith in der Zone 4 Ben Atar ehelicht, ist es für sie zunächst unerträglich. Alles, was sie sieht und erlebt, steht im Gegensatz zu ihren Prinzipien. Doch dem Kriegerherrn geht es nicht besser und er lässt seinen Frust gewaltsam an seiner Frau aus. Al•Ith zeigt jedoch nicht die gewohnte Unterwürfigkeit und beginnt sein Denken mit neuen Ideen zu beeinflussen. Langsam muss er einsehen, dass so manches, was die Königin der Zone 3 sagt, durchaus Sinn ergibt. Doch als sich beide endlich soweit angenähert hatten, dass sie eine harmonische Beziehung haben, erreicht sie der Befehl, dass Al•Ith das Land zu verlassen habe und Ben Atar die Barbarenprinzessin aus Zone 5 zu heiraten habe. Todunglücklich reist Al•Ith in ihr Reich zurück, nur um festzustellen, dass sie längst nicht mehr Königin ist und zu einem Fremdkörper in ihrer alten Heimat geworden ist. Ben Atar hingegen hat nun die Rolle inne, die Al•Ith vor ihm innehatte.
Dieses Buch ist eigentlich keine Phantastik, denn das gesamte Szenario ist eine Allegorie auf unser Leben. Zone 3 steht für das Feminine, Zone 4 für das Maskuline. Beide Welten prallen durch die Hochzeit zusammen, wie das wohl bei jeder zweigeschlechtlichen Partnerschaft ist. Aber es geht um mehr: Es geht um kulturellen Austausch und/über Vorurteile. Wenn man immer nur die Schwächen der anderen sieht, kann man seine eigenen nicht mehr erkennen, und genau dies ist Al•Ith passiert. Erst als sie in Zone Drei nach längerer Abwesenheit zurückkehrte, konnte sie die Fehler in ihrem eigenen Land sehen.
Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing erzählt die Geschichte mit viel Gefühl weitestgehend aus der Sicht von Al•Ith. Es ist ein Chronist, der die Geschichte lang nach den Tod der beiden erzählt. Wie zu erwarten, zeigt die Autorin handwerklich keine Schwächen und der Roman ist sehr flüssig lesbar und durchaus unterhaltsam, auch wenn der Verlauf der Geschichte von Anfang an klar ist. Es sind die Gedanken, die sich Doris Lessing über die Weltsicht macht, sowie die Beschreibungen des Lebens in den Zonen, die das Buch lesbar machen. Die Botschaft ist klar: Sieh nicht auf die Fehler anderer, sondern überwinde deine Scheuklappen und fange bei dir selber an, wenn du was verändern willst.
Denkt man über die Geschichte nach, so kommt man noch auf eine zweite Deutungsweise: Die gesamte Handlung wie auch das Ende mit der Ehe zwischen Zone 4 und 5 stehen für den Zyklus des Lebens. Zunächst das Kennenlernen in der Jugend, dann das Verständnis und am Ende das Alter mit der Midlifecrisis und dem Streben nach Weisheit. Besonders interessant ist, dass sich Al•Ith stark zur Zone 2 hingezogen fühlt, die irgendwie für Transzendenz steht.
Wie auch immer: Man kann über den Inhalt nachdenken oder das Ganze einfach als interessante Geschichte lesen, ohne weiter darüber nachzudenken. In jedem Fall bekommt man eine spannende Erzählung geboten, die sehr gut dargeboten wird.
8 von 10 Punkten