Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Scott Wardens Leben wird durch eine übernatürliche Erscheinung vollkommen aus der Bahn geworfen. Am Strand von Thailand lebt der Aussteiger mit Frau und Tochter, als aus dem Nichts ein blauer Monolith erscheint. Scott wird Zeuge der Erscheinung und anschließend von den Behörden festgesetzt, während seine Frau ihn während einer ernsthaften Erkrankung seiner Tochter gebraucht hätte. Seine Frau reist zurück in die Vereinigten Staaten von Amerika, und auch Scott folgt ihr ein Jahr später. Der Monolith bleibt jedoch kein Einzelfall. Immer weitere Monolithen erscheinen und nehmen Bezug auf eine Eroberung durch einen Feldherrn namens Kuin. Die Chronolithen (so werden die Denkmäler bald genannt) stammen immer aus einer Zeit, die 20 Jahre und 3 Monate in der Zukunft liegen. Nicht lange, und die ersten Chronolithen tauchen in Großstädten auf und verursachen den Tod von mehreren Hunderttausend Menschen. Der gesamte asiatische Kontinent wird destabilisiert und eine gewaltige Weltwirtschaftskrise ist die Folge. Als Scott versucht, sich in den USA ein neues Leben aufzubauen, wird er von seiner ehemaligen Universitätsdozentin Sulamith Chopra gebeten, für sie zu arbeiten. Sie erhielt den Auftrag, für die Regierung der USA den Chronolithen auf den Grund zu gehen und einen Weg aufzuzeigen, wie man Kuin - in dem immer mehr Menschen einen Erlöser sehen - bekämpfen kann. Doch bis zur Klärung des Rätsels sollen noch Jahre vergehen.
Der kanadische Autor Robert Charles Wilson hat diesen, für heutige Verhältnisse recht dünnen Roman komplett in der Ich-Form verfasst. Protagonist Scott Warden erzählt rückblickend über eine Spanne von mehr als 15 Jahren von den Chronolithen und seiner Rolle beim Erforschen dieser. Diese Berichtform bewirkt, dass dem Buch viele Emotionen fehlen und es dem Leser schwer fällt, Zugang zu den Nebencharakteren zu bekommen. Am besten wird dies deutlich, als zu Beginn Scotts Frau Janice mit seiner Tochter zurück in die Staaten fährt: Der Leser nimmt dies kaum tragisch, da der Bericht sich primär mit den Chronolithen und erst sekundär mit Scott Wardens Leben befasst. Doch zum Glück wird dies später besser.
Die Grundidee dieses Romans ist großartig: Ein Eroberer der Zukunft ebnet sich selbst den Weg, indem er die Welt der Gegenwart destabilisiert und erst so die Grundlage für seinen Aufstieg schafft. Nun, das ist ein klassisches Paradox und auch nicht das einzige in diesem Roman. Denkt man das Ganze konsequent zu Ende, dann kommt man schnell darauf, dass die Chronolithen-Technologie quasi aus dem Nichts entstanden ist. Aber das ist der Reiz dieser Geschichte, die ganz klar dieses Paradoxon in den Mittelpunkt stellt und Menschen zeigt, die verzweifelt versuchen, etwas zu verhindern, das sich scheinbar überhaupt nicht verhindern lässt.
Der Roman gewinnt ab der Hälfte deutlich an Fahrt und legt bis zum Ende an Tempo zu. Natürlich ist es, nachdem man so viel Spannung aufgebaut hat, schwierig, einen passenden und überzeugenden Schluss zu finden. Wilson ist dies gut gelungen, auch wenn er viele Fragen offen lässt und die wahre Natur der Chronolithen so gut wie gar nicht entschlüsselt. Aber das passt irgendwie auch zum Roman.
Negativ fallen dem Leser das große Schriftbild (30 Zeilen pro Seite) und eine Vielzahl - nicht selten unnötiger - Fußnoten auf. Man kann Begriffe wie The Emperor's Clothing auch übersetzen, zumal das Original von Hans Christian Anderson ist. Da braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man den deutschen Titel nimmt. Andere Fußnoten sind schlichtweg falsch: Als die Sprache auf Dickens A Christmas Carol kommt wird dieses Standardwerk mit Ein Weihnachtslied übersetzt. Der Deutsche Titel ist aber nun mal Eine Weihnachtsgeschichte (man abgesehen davon, dass dies auch übersetzt gehört hätte). Also in Zukunft, liebe Linckens, reduziert die Fußnoten bitte auf die Hälfte.
Fazit: Die Chronolithen ist ein interessanter Roman, der es dem Leser aufgrund der Berichtform nicht leicht macht, Zugang zu den Protagonisten zu finden. Doch wer Spaß am Grübeln über Zeitparadoxa hat, der wird von diesem Roman vollkommen begeistert sein. 7 von 10 Punkten.
Die Chronolithen - Rezensionsübersicht