Titel: Dich kriegen wir auch noch! Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Gibt es in der Filmwelt etwas enttäuschenderes als Zelluloidwerke, die verheißungsvoll beginnen und immer dämlicher werden, je länger sie andauern (soll ja ganz ähnlich bei Menschen unter Alk-Einfluss sein).
Ein Phänomen, das auch auf diesen Film zutrifft. Dabei ist etwa die erste Viertelstunde mehr als vielversprechend: Nachdem sich ihr ältester Sohn das Leben genommen hat, ziehen die Marsdens mit ihrer Tochter und ihrem Sohn von Chicago in das kleine Provinznest Cradle Bay. In der Schule freundet sich Steve nach kürzester Zeit mit Gavin und Rachel an, zwei "Außenseitern", wobei Gavin anscheinend völlig paranoid ist; unablässig versucht er Steve davon zu überzeugen, dass Schulpsychiater Dr.Caldicott aufsässige Jugendliche einer grauenhaften Gehirnwäsche unterzieht. Natürlich glaubt ihm Steve nicht und hält ihn für verrückt. Bis auch Gavin plötzlich angepasst wie alle anderen ist...
Zunächst fällt einem natürlich die enge Verwandtschaft zum Film Die Körperfresser kommen! (Body Snatchers) auf, der eines der beliebtesten SF-Themen aufgreift: Wie kann man an einen von einer fremden Macht kontrollieten Menschen erkennen, wenn dieser nach wie vor menschlich aussieht und sich entsprechend benimmt? Auf die Spitze trieb diese paranoide Situation 1982 John Carpenter mit seinem leider unterschätzten Meisterwerk Das Ding aus einer anderen Welt , in welchem buchstäblich jeder ein mörderisches Alien sein könnte.
Die Intention solcher Filme ist klar: Menschlich sind wir durch unsere Individualität. Konformität führt zu Unmenschlichkeit. In einer Gesellschaft wie der US-amerikanischen, wo individuelle Freiheit über alles geht (zumindest, wenn man reich ist, ahem), erschrecken solche Visionen einer "gleichgeschalteten" Gesellschaft ungemein. Eine nette Plotidee allein macht jedoch keinen guten Film - und so scheitert dieser Film geradezu grandios an seinen eigenen Intentionen.
Meiner unerheblichen, von einem großen Softwarekonzern kontrollierten Meinung nach bietet der Film so ziemlich alle Klischees auf, die sich aus den Situationen jeweils ergeben. Nehmen wir nur mal die Schule her: Die Lehrer sind natürlich allesamt langweilige Vollidioten und die Schüler teilen sich in Strebertypen und "Rebellen". Die Angepassten sind unsägliche Idioten, die weder Alkohol noch Drogen zu sich nehmen, vernünftig miteinander reden, dem Unterricht in der Schule folgen und den Zusammenhalt suchen. Mit anderen Worten: Die können ja gar nicht normal sein!!!
Die "Normalen" kleiden sich in Lumpen, reden Blödsinn, kiffen und saufen, scheren sich einen Dreck um irgend etwas - also liebenswerte Teenager, nicht wahr?
Aber ach: Die bösen Eltern die wollen, dass sich ihr Kind halbwegs zivilisiert benimmt, liefern es dem Schuldoc aus, der es in besagte Monster verwandelt.
Übrigens geschieht dies dank einer Methode, die eindeutig an die Luduvico-Therapie aus Clockwork Orange gemahnt. Den Eltern fällt nur auf, dass Sohnemann/Tochterfrau viel ruhiger geworden ist. Allerdings spielen Erwachsene in diesem Film kaum eine Rolle: Ein Schulmeister, der Schuldoc und ein doofer, intriganter Cop (wie in jedem Teenie-Film) bilden das gesamte Protagonisten-Personal jenseits der 20.
Was dem Film im Grunde erst richtig das Genick bricht, ist, dass man nicht einmal mit einer Lupe irgend ein Spannungselement aufspüren kann. Das liegt einmal daran, dass jegliche Charakterisierung der Figuren flachfällt. Wäre Steve Clark nach einer Viertelstunde ins Klo gefallen und ertrunken, wäre mir das auch egal gewesen. Spannung - man kann es nicht oft genug sagen! - ergibt sich aber gerade durch das Verhältnis eines sympathischen Charakters zu einer feindlich gestimmten Umwelt. Und was geschieht im Film? Aufsässige Jugendliche werden in willenlose Konformitäts-Zombies verwandelt, was EINEM einzigen Jungen auffällt! Und als sich dieser auch verwandelt, benötigt sein bester Freund erst einmal ein paar Filmminuten, um dies überhaupt zu bemerken (was übrigens dadurch geschieht, dass er von den neuen Freunden seines Kumpels zusammengeschlagen wird - und nach den Prügeln, die jeden Menschen zumindest ins Krankenhaus gebracht hätten, nicht mal einen blauen Fleck davonträgt).
Ohne Erklärung serviert uns das Drehbuch einen Unsinn nach dem anderen: zB hat Gavin entsetzliche Angst davor, dieser Behandlung unterzogen zu werden, die ihn willenlos macht. Wie aber wird er zu einem "Angepassten"? Wird er des Nachts entführt? Auf offener Straße in einen weißen Kombi gezogen? Unter Waffengewalt dazu gezwungen? Mitnichten: Seinen Eltern wird vorgeschlagen, ihn in ein spezielles Camp (in Wahrheit natürlich der Ort der "Umerziehung") zu bringen, auf dass er zu einem netten Jungen mutiere. Gavin weiß davon, berichtet Steve voller Panik davon, dass er in das Camp gesteckt werden soll, dreht sogar noch ein Video ... und ist trotzdem offensichtlich so doof, nicht abzuhauen oder die Behörden einzuschalten, wie man es erwarten würde. Nein, er droht an, seine Eltern abknallen, lässt sich den Revolver von Steve entwenden und geht nach Hause, um am nächsten Tag ein "Angepasster" zu sein...
Steve und Rachel, die sich ineinander verlieben, obwohl sie während der ersten Stunde schätzungsweise zwei Sätze miteinder wechseln, wollen dem Treiben des Doc ein Ende setzen. Sie spüren den Ort der Umwandlung auf - natürlich eine Irrenanstalt, in der alles schön dunkel ist, die Insassen frei rumlaufen dürfen und es keine verschlossenen Türen gibt (eine Art amerikanisches Modell der Freien Psychiatrie). Wie die beiden in das Gebäude reinkommen, das bewacht wird, ist unerheblich. Irgendwie geht das schon, nicht wahr?
Die Krone setzt dem Ganzen Spuk der Schluss auf, der zu den dümmsten aller Teenagerfilme gezählt werden muss.
Ein kleiner Stich im vorderen Stirnlappen macht den interessierten Filmfan auf eine besonders schlimme Verarschung aufmerksam und ich möchte folglich diese Kritik mit einem alten Sinnspruch schließen: "Ist's um den Verstand geschehen, hast einen Teeniefilm du wohl gesehen".
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Jawohl-ich-werde-nie-wieder-schlecht-über-Teeniefilme-reden-Meister-Jawohl-ich-werde-nie-wieder...