Serie/Zyklus: Wurdack SF 01 Eine Besprechung / Rezension von Alfred Kruse |
Hervorgegangen aus der Story-Olympiade gibt der Wurdack-Verlag seit 2004 Bücher deutschsprachiger Autoren heraus. "Deus ex machina" ist der zehnte Band der StOY-Anthologien und der erste Band der neugegründeten Wurdack SF-Reihe. Breit gefächert bietet sich hier dem Leser ein Einblick in die deutsche SF-Szene und überrascht stellt man fest, daß von der tiefsinnig-verkopften Schreibe der 80er nichts zu spüren ist. Im Gegenteil, die Geschichten wirken frisch und innovativ, lesen sich angenehm und transportieren ihre Inhalte durch den durchgängig angenehmen Stil, in dem die Autoren schreiben. Bezeichnend für die bereits in diesem ersten Band anzutreffende hohe Qualität der Wurdackschen SF-Reihe ist die Nominierung
Roland Triankowski : Deus ex machina
Etwas altbackene Geschichte über die Bewusstseinswerdung des Internet, nicht schlecht, aber kein Glanzlicht.
Frank W. Haubold : Die Abaddon-Mission
Military SF von Frank Haubold, ein ganz besonderes Leckerschmecki. Packend erzählt lässt diese Story allerdings die Tiefe seiner später Geschichten vermisssen. In jedem Fall aber wird man sehr gut unterhalten.
Heidrun Jänchen : Vor dem Sturm
Eine etwas unentschlossene Story. Aus der zeitlichen Distanz heraus merkt man, daß Heidrun Jänchen hier ihre Topoi noch nicht gefunden hatte. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt schimmert ihr Talent als Story-Teller durch, die Geschichte liest sich flüssig und man möchte unwillkürlich mehr von ihr lesen.
Rober Kerber : Empfänger
Langweilige Psi-Story, nur durch den guten Stil des Autors erträglich.
Antje Ippensen : Raum-Zeit-Schattierungen
Sehr schöne Softcore-SF, innovative Story, packend geschrieben, lesenswert.
Dieter Schmitt : Der Erbtöter
Gut geschrieben, aber trotzdem effektiv langweilig.
Marlies Eifert : Anahita
Eine antikommunistische Story, die sich gegen Gleichmacherei und Uniformierung in jeglicher Form wendet. Frisch und modern, mit jungmädchenhaftem Charme. Ich war ziemlich verblüfft, als ich auf der Homepage der Autorin feststellte, daß sie Jahrgang '39 ist, nach dem Lesen dieser Story hätte ich sie auf 40 Jahre jünger eingeschätzt.
Wilko Müller jr. : Der Y-Faktor
Witzige Idee über die Elektrisierung von Menschen. Flüssig erzählt, bleibt die Geschichte jedoch auf dem trivialem Niveau hängen.
Martina Bielesch : Traumpartner auf Knopfdruck
Ein bissiger Beziehungskistenkommentar, der die Erwartungshaltung beider Geschlechter bei der Partnersuche pointiert darstellt. Lesenswert !
Torben Kneesch : Der Soldat
Eine Antikriegsgeschichte. Torben Kneesch zeigt allegorisch auf, was ein Krieg dem menschen abverlangt. Dabei bleibt er unterhaltsam, ohne ins Moralisieren zu verfallen. Eines der Glanzlichter dieser Story-Sammlung !
Klaus Eylmann : Chromium Bär
Menschen am Ende der Zeit, in einer dekadenten Umgebung. Sehr farbig, sehr stimmungsvoll, sehr flüssig lesbar - aber doch nur das erste Kapitel eines Romans.
Judith Rau : Und den Menschen ein Wohlgefallen
Hardcore-SF, die sich als Social Fiction tarnt. Innovativer Plot, klasssische Erzählweise, gelungene Pointe : Empfehlenswert !
Andrea Tillmanns : Familienglück
Nach der Großen Katastrophe haben nur wenige Menschen überlebt. Um nicht verrückt zu werden umgeben sie sich mit Androiden, die ihnen die heile welt vorspielen. Eindringlich und packend, eine sehr berührende Story.
Rüdiger Schäfer : Anjelka
Mystische SF, eigentlich fast schon Fantasy. Angenehmer Stil, das Lesen hat Spaß gemacht. Die Geschichte selber ist allerdings langweiliger Standard.
Bernhard Brunner : Die verbesserte Universalfernbedienung
Über die Tücken moderner Technik. Amüsant, etwas überkandidelt, aber durchaus mit Tiefgang. Hat mir persönlich besonders gut gefallen.
Alex Kaiser : Solar Five
Ein Kommentar zum Thema "Helden", verpackt in die Form einer klassischen Hardcore-SF-Story. Wer dieses Subgenre mag, findet hier eine überragende Story vor, vom Niveau als auch vom Tiefgang und der vermittelten Stimmung durchaus vergleichbar mit Heinleins "The Green Hills of Earth".
Alexander Wichert : Grüne Augen
Eine Splatter-Story, deren Sinn mir verborgen bleibt.
Bernhard Schneider : Sichtungen
Und es gibt doch UFOs ! Nette Story, gut geschrieben, flüssig lesbar. Pointe vielleicht etwas platt, trübt aber das Lesevergnügen in keinster Weise.
J. Th. Thanner : Totengesang
Eine Öko-Story, flüssig lesbar ohne moralsierend zu sein, sehr einfühlsame Darstellung.
Thomas Kohlschmidt : Nutze Deine Chance
Eine Hommage an Sheckley und Staudte. Bissig und bitter, Pointe vielleicht etwas sehr platt. Stilistisch top, bleibt am Ende doch ein schaler Nachgeschmack übrig, die Story wirkt seltsam unfertig. Trotzdem ein angenehmes Lesevergnügen.
Uwe Sauerbrei : Betatest
Komische Story. Nicht bedeutend, eigentlich sogar ziemlich trivial, aber ungemein unterhaltsam.
Petra Vennekohl : Feldstudie
Nette kleine SF-Story über Medizin und Quarantänevorschriften. Nicht überragend, aber gut geschriebener Standard.
Christian Savoy : Viribus Unitis
Klassischer Standard-Plot : Nach 450 Jahren relativistischem Flug stellt man fest, daß die Menschheit in der Zwischenzeit den Überlicht-Flug beherrscht. Unbedeutend, aber gut geschrieben.
Armin Rößler : Faust
Auf einem Planeten lebt neben der humanoiden Eingeborenen-Rasse ebenfalls eine pflanzliche Intelligenz, die mit Menschen eine Symbiose eingehen kann. Dabei verlieren die Menschen Teile ihres Mensch-Seins, gewinnen aber die Unsterblichkeit.
Armin Rößler stellt deutlich dar, was eigentlich einen Menschen ausmacht. Dabei benutzt er ein exotisches Szenario, ein vertrautes und doch so fernes Land, wie ich es bisher nur von Alan Dean Forster kenne. "Faust" ist eines, wenn nicht sogar das Highlight dieser Anthologie, packend geschrieben und angenehm lesbar, nicht-trivial und nachdenkenswert. Gerade aus der Distanz heraus ("Deus ex Machina" erschien 2004, diese Zeilen werden im Jahre des Herrn 2008 geschrieben) kann man konstatieren, daß mit dieser Geschichte ein großer Story-Teller die Bühne betritt.
Fazit : Insgesamt eine faszinierende Auswahl von Stories, ein schöner Auftakt einer neuen SF-Reihe. Wenn auch nicht jede Story gleich gut ist und auch nicht alles wirklich meinem Geschmack entspricht, so liegt hier doch eine Anthologie vor, an der man nicht so einfach vorbeigehen sollte. Gerade aus der Rückschau von 2008 aus gewinnen einige Stories gerade deshalb auch sehr viel, weil die weitere Entwicklung des Autors dem geneigten Leser bereits bekannt ist. Ich habe "Deus ex machina" auf jeden Fall sehr genossen.