Titel: Der Untergang der Hölle Eine Besprechung / Rezension von Sebastian Hallmann |
Inhaltszusammenfassung:
Splitterfasernackt und in Stein eingemauert erwacht eine junge Frau nach Hunderten Jahren Gefangenschaft in einem Gewölbe der Hölle. Vee ahnt noch nicht, dass ihr im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse eine entscheidende Rolle zufällt.
In der gnadenlosen Auseinandersetzung zwischen Engeln, Verdammten und den monströsen Dämonen des Totenreichs steht ihr lediglich ein vorlautes, sprechendes Knochengewehr zur Seite.
Schnell stellt sie fest, dass dieses postapokalyptische Cyber-Inferno mit der Hölle, wie man sie kennt, wenig zu tun hat. Viele Bewohner driften apathisch durch ein Datennetz, andere ernähren sich von Ungläubigen, entfachen einen endlosen Kreislauf aus Tod und Wiederauferstehung oder zeigen der Bibel auf andere Weise den Mittelfinger.
Kritik:
Nachdem mich der erste Teil von Jeffrey Thomas' Höllensaga sehr begeistern konnte, war die Freude natürlich sehr groß, als der Festa-Verlag den hier vorliegenden Nachfolger ankündigte. Das Problem bei tollen Vorgängern ist natürlich immer, dass die Erwartungshaltung entsprechend hoch ist - und mitunter auch gerne einmal enttäuscht wird.
Dabei geht sich die Geschichte an und für sich schon gut an. Thomas legt die bekannten Stärken an den Tag und weiß einen nicht uninteressanten Spannungsbogen aufzubauen, der aber leider irgenwann anfängt zu stagnieren. Das ist sehr schade, denn im direkten Vergleich wusste "Tagebuch aus der Hölle" hier doch deutlich mehr und vor allem dauerhafter zu gefallen. Auch in atmosphärischer Hinsicht war dieses Buch deutlich anspruchsvoller, denn anstatt der wunderbar grotesken und auf eine abartigen Weise schönen Hölle dieses Buches findet man sich hier in einer "Endzeitversion" des Fegefeuers wieder, welche zwar auch ihren ganz eigenen Stil hat, sich aber statt auf die komplette, ursprünglich erdachte Welt auf einen winzigen Teil, genau genommen auf ein einzelnes, mehr oder minder ausgestorbenes Gebäude konzentriert. Auch die gelungene atmosphärische Anreicherung durch die vielfältigen und sehr kreativ gestalteten Höllenkreaturen geht dadurch natürlich verloren. Alles in allem hat man den Eindruck, dass Thomas seine Geschichte, analog zum Reiseweg seiner Heldin, ganz simpel etappen- oder gar episodenweise abarbeitet und sich dabei auch ungleich dichter als noch im "Tagebuch" an seinen Cyberpunk-Wurzeln orientert. Das resultiert schließlich darin, dass der Leser sich in einer Welt irgendwo zwischen eben jenem Genre, dem Steampunk und dem Horror wiederfindet, ohne dabei genau zu wissen, woran er nun eigentlich ist. Schade, denn hier wäre mehr drin gewesen, vor allem da auch das Ende auf mich wie über's Knie gebrochen wirkte.
Auch was die Figuren angeht herrscht leider eine kleine Flaute. Sicherlich ist die Heldin Vee interessant gezeichnet, vermag durch ihren inneren Konflikt, den der Background mit sich bringt zu überzeugen und auch ihre Weggefährten konnten bis zu einem gewissen Grad gelungen. Allerdings fehlt auch hier, bedingt durch die Einschränkung der eigenen erdachten Welt, die grundsätzlich bizarre Tonlage des Vorgängers. "Der Untergang der Hölle" erfreut den "vorgebildeten" Leser zwar mit Auftritten bekannter Figuren wie Dan Aligheri oder Frank Lyre, diese sind aber wirklich nur Randerscheinungen und absolvieren nicht viel mehr als einen Cameo. Der Rest der Nebencharaktere ist, vielleicht einmal abgesehen vom wirklich gelungenen Wegbegleiter Jay, leider ziemlich austauschbar und blass.
Stilistisch hingegen hat Thomas mit "Der Untergang der Hölle" wieder einen Volltreffer gelandet. Seine Schreibweise ist anspruchsvoll und dem Setting gut angepasst. Er langweilt den Leser in diesem Buch nicht mit unnötigen Details, sondern beschreibt den Hades gerade so weit wie es nötig ist, um ein sehr gutes Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen - welches hier aber, wie schon erwähnt, unglücklicherweise sehr trist und im direkten Vergleich fast schon langweilig ausfällt. Gelungen ist dafür dieses Mal die Übersetzung von Patrick Baumann, an dessen Arbeit an "Down" ich ja zuletzt doch den einen oder anderen Kritikpunkt hatte.
Fazit:
"Der Untergang der Hölle" ist immer noch ein spannender und interessanter Horrorroman. Leider fehlen jedoch durch die geänderte Situation im Hades die tollen und bizarren Ideen, die den ersten Teil für mich ausgemacht haben. Immer noch lesenswert, aber nicht der erhoffte Kracher. Trotzdem, wem "Tagebuch aus der Hölle" gefallen hat, sollte auch hier einen Blick riskieren.