| Reihe: Gezeitenstern-Saga, 1. Band Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Die aufgeklärte Herzogin Arkady Desan ist niederer Herkunft, doch von ihrem Vater, der Arzt war, hat sie dessen Wissensdurst und Forscherdrang geerbt. Zu ihrem Ehemann verbindet sie eine tiefe Freundschaft, aber nicht mehr. Vor Jahren hatten Arkady und er einen Pakt geschlossen: Stellan würde ihren Vater freilassen, der sich zu stark für die Rechte der Sklavenrassen aus Mensch-Tier-Hybriden - Crasii genannt - einsetzte, und sie würde ihn im Gegenzug heiraten. Dabei ging es dem Herzog nicht um die Schönheit seiner Zukünftigen, sondern um einen Schutz für seine homosexuelle Neigung. Tatsächlich ist es tragisch, dass beide keine gemeinsame sexuelle Erfüllung finden, denn beide versehen sich sehr gut und Stellan ist ein guter Mensch.
Dann geschieht etwas Eigenartiges: Ein Mörder soll hingerichtet werden, doch wie durch ein Wunder überlebt er die Hinrichtung und schon zwei Tage später scheint er vollkommen genesen. Nun behauptet er, Cayal, einer der unsterblichen Gezeitenfürsten, zu sein, die allerdings nur Sagengestalten sind. Arkady ist überzeugt, dass er ein Hochstapler und Spion eines anderen Landes ist. Eines jedoch kann Arkady nicht bestreiten: Cayal erzählt seine Geschichte sehr überzeugend und auch dem Einfluss des Mannes kann sie sich nur schwer erwehren. Cayals Erzählung ist bitter und enthält nur eine Moral: Das Leben eines Unsterblichen macht nicht glücklich und Cayal würde so gerne sterben. Doch nun wächst die Macht der Gezeiten wieder. Nach einer äonenlangen Ebbe mehren sich die Zeichen, dass die Flut zurückkehrt. Der Sage nach - und Cayal hat dies immer wieder bestätigt - hatten die Fürsten die Macht, ganze Kontinente zu verwüsten. Doch die Zeit, sich auf die Wiederkehr vorzubereiten, ist nur kurz.
Jennifer Fallons Geschichte bietet endlich mal wieder Fantasy abseits des Mainstream. Man bekommt keine Erzählung vorgesetzt, deren Ende man nach 20 Seiten erahnen kann, sondern eine Geschichte, die sich erst im Fortschreiten des Romans offenbart. Sehr geschickt hält die Autorin Informationen zurück, ohne aber den Roman verwirrend zu erzählen. Sie gibt dem Leser genau so viel Wissen, wie zu diesem Zeitpunkt nötig ist, und ebenso wie Arkady muss der Leser Schritt für Schritt die Wahrheit herausfinden. Während die Herzogin zu Beginn wie die FBI-Agentin Clarice Starling im Film Das Schweigen der Lämmer auf einen ihr geistig überlegenen Gegner trifft, ändert sich das Verhältnis der beiden in dem Maße, in dem Cayal von seiner Vergangenheit erzählt.
Doch die Geschichte ist weit vielfältiger. Da sind die geheimnisvollen Crasii Warlock und Chikita, da ist Fürst Stellan und sein Geliebter Jaxyn Aranville, der unheilvolle Pläne hat, und da ist Declan Hawkes, der erste königliche Spion, mit dem Arkady eine gemeinsame Vergangenheit verbindet und der Stellan misstraut.
Der unsterbliche Prinz ist eine untypische Fantasy-Geschichte. Anstatt aus Schlachten und Abenteuern gewinnt dieser Roman seine Spannung aus der Konstellation der Personen untereinander. Es geht um Politik, um Freiheitskampf, aber auch um Liebe und Vergeltung. Wer Fantasy wegen epischer Schlachten liest wird mit diesem Buch nicht zufrieden sein, wer aber Fantasy sucht, die etwas abseits der ausgetretenen Pfade liegt, die intelligent und voller interessanter Wendungen erzählt wird, der wird mit diesem Buch sehr zufrieden sein.
9 von 10 Punkten
Rezension von Erik Schreiber
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