| Serie / Zyklus: Werke in Einzelausgaben - Band 4 Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Mitten in der mittelalterlichen Stadt Miscara steht der Traumturm. Die „Alten“ hinterließen ihren Nachkommen das Bauwerk, damit der traumlose Schlaf ein Ende hat. Doch bereits seit Jahren wohnt kein Traummeister mehr im Turm. Eines Tages beendete der Stadtrat das aus seiner Sicht sinnlose und unproduktive Treiben. Die Industrialisierung hatte eindeutig Vorrang. Doch erlahmt jetzt der Fortschritt und die negativen Folgen des hemmungslosen Ausbeutens menschlicher und natürlicher Ressourcen zeigen sich vehement. Staubstürme fegen über Miscara hinweg, die Menschen werden bald alles verlieren.
Ein neuer Traummeister soll den Menschen Zuversicht und Ideale wiedergeben, so die Meinung des Rates. Das Mädchen Glauke überbringt dem Traummeister Kilean die Pläne, die es umzusetzen gilt. In der Nacht soll den Bürgern vorgeträumt werden, was sie am Tag bewerkstelligen müssen. Aber der Meister Kilean hat anderes vor. Seine Träume führen zu Aufruhr und Widerstand. Während der Rat ziellos agiert, weist aber auch Kilean keine rechten Erfolge vor. Das von ihm entworfene Blendwerk, kann durch neuerliche Arbeitsanstrengungen nicht erreicht werden. Wirklichkeit und Traumwelt verschmelzen miteinander.
Wenig deutet in Der Traummeister daraufhin, dass es sich um einen Roman mit Science-Fiction-Hintergrund handelt. Wie in dem Roman Andymon (2. Band der Werkausgabe), wurde auch Spera von einer Sternenarche besiedelt. In Spera (3. Band) wird der tausendjährige Fall und Aufstieg der Kolonie geschildert. Einige der Namen aus Der Traummeister, wie Sigmarq, erinnern entfernt an die der ersten Siedler. Die Zusammenhänge ergeben sich zumeist erst durch die Kenntnis der anderen Romane. Aber Der Traummeister ist völlig eigenständig. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
Siegfried Lokatis (Berliner Zeitung) zeigt auf, dass der Roman „kein“ Fall mehr für die DDR-Behörden war, da er von der Lockerung der Zensur zu profitieren schien. Aber es finden sich durchaus Bezüge zu dem gesellschaftspolitischen System der DDR. So enthalte der Roman ein unschwer zu entschlüsselndes Bild für die zentral gesteuerte Kulturpolitik der DDR. Denn der Miscara-Magistrat erhofft sich Träume zur Produktivitäts- und Wehrmoralsteigerung und gibt dem Traummeister entsprechende Pläne an die Hand. Auch seien Zitate des ausgebürgerten Wolf Biermanns enthalten.
Das Manuskript wurde im August 1988 dem Verlag „Das Neue Berlin“ übergeben und ein Jahr später genehmigt. Der Traummeister erschien dann 1990, zu spät um noch Aufsehen zu erregen. (vgl. Siegfried Lokatis: Der Traummeister - kein Fall für die Zensur. In: Alien Contact 68)
Stilistisch ist Der Traummeister der beste Roman von den Steinmüllers. Die Handlung ist stringent und gut konzipiert. Allerdings wirken die Charaktere manchmal seltsam distanziert, ihre Emotionen für den Leser nicht vermittelbar. Die seltsame Mischung aus Realität und Traum hat wiederum ihren eigenen Reiz und verleiht dem Roman eine einzigartige Ausstrahlung.