Serie / Zyklus: Captain Marvel Besprechung / Rezension von Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Captain Marvel (Mar-Vell) reist zum Planeten Titan, um dort den Herrscher Mentor und dessen Sohn Eros im Kampf gegen Anhänger des versteinerten Halbgottes Thanos zu unterstützen. Die Schlacht gegen die Kultisten verläuft plangemäß siegreich als Mar-Vell in einem plötzlichen Schwächeanfall zusammenbricht.
Mit Hilfe des Supercomputers Isaac diagnostizieren die Titanier eine bösartige, unheilbare Krebserkrankung des Helden, nur um zu erfahren, dass Mar-Vells kosmisches Kräfte ihm schon lange sein Innerstes offenbarten. Seit einem Kampf mit dem Schurken Nitro, bei dem er mit einer krebserregenden Substanz kontaminiert wurde, schwärt die Krankheit in ihm und nur die Photonenkräfte seiner Nega-Armbänder verhinderten bisher den Ausbruch, bewirkten allerdings auch die unheilvolle und tödliche Mutation des Krebses.
Bis zu seinem Tod verbleiben ihm noch etwa drei Monate. Während Mar-Vell sich mit dieser Tatsache - nicht ohne Trauer - abfindet, seine Autobiografie niederschreibt und Abschied von Freunden und Geliebter nimmt, versuchen seine alten Kampfgefährten alles, um ein Heilmittel zu finden. Doch selbst Dr. Stranges Magie, Reed Richards genialer Verstand und die Hightech der Titanier vermögen lediglich, Mar-Vells Tod nur minimal hinauszuzögern. Am Ende müssen auch sie kapitulieren.
Umringt von den größten Helden des Marvel-Kosmos - den X-Men, den Fantastischen, den Rächern, der Spinne und vielen anderen mehr - schließt Mar-Vell auf seinem Sterbebett die Augen und in einer letzten Vision erscheint ihm sein alter Feind Thanos, um ihn zur letzten Einsicht in die Unabwendbarkeit und Gnade des Todes zu bewegen und ihn zu überzeugen, sich nicht länger gegen das nahe Ende aufzubäumen.
Der Tod erscheint in Gestalt einer jungen Frau, gibt Mar-Vell einen Kuss und gemeinsam begleiten er und Thanos sie ohne Angst in ihr Reich.
Das EKG zeigt eine Nulllinie!
Mit den Worten: "Er ist von uns gegangen." bedeckt Mentor den Kopf des Toten mit einem Tuch.
Der Tod des Captain Marvel, in welchem Starlin die Krebserkrankung und den Tod des eigenen Vaters verarbeitete, ist nicht nur eines der wichtigsten Werke des Super-Helden-Genres (und die erste Grafik Novelle des Marvel-Verlags), sondern auch eines der besten.
Der Leser wird mit einer Wahrheit konfrontiert, die so in den Comics jener Zeit nicht auftauchte: der Tod ist Bestandteil eines jeden Lebens.
Bemerkenswerterweise gelingt es Starlin, die Banalität des Sterbens weitgehend ohne unerträglichen Pathos zu inszenieren.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der innere Konflikt des Helden, dem als Kämpfer der Tod auf dem Schlachtfeld verwehrt bleibt und der stattdessen langsam dahinsiecht bis er zu schwach ist, sein Bett zu verlassen. Wie differenziert und tief menschlich die Darstellung ist, wird in einer kleinen Szene deutlich, in der Mar-Vell seiner Frau sagt: "Er [Anm.: Adam Warlock] begrüßte den Tod als einen Freund, doch ich habe das Leben genossen, denn es hatte mehr gute als böse Augenblicke. Es wird mir fehlen!"
Mar-Vell ist nicht der toughe Kerl, der dem Tod höhnisch ins Gesicht lacht und damit selbst im Sterben eine Unmenschlichkeit demonstriert, die das Attribut eines jeden "wahren" Comic-Helden zu sein hat; vielmehr steht er im Ausdruck seiner Trauer auf einer Stufe mit dem Leser und wird dadurch zu einer authentischen Persönlichkeit, der man sich nahe fühlen kann.
Es ist Starlin hoch anzurechnen, dass er ausgerechnet Mar-Vell als Träger seiner Botschaft auserwählte, denn neben dem Silver Surfer war dieser seit jeher einer der menschlichsten Superhelden im Marvel-Universum - trotz seiner außerirdischen Herkunft. Insofern ist sein Ende eines der konsequentesten und logischsten der Comic-Geschichte, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Mar-Vell die bisher genreübliche Wiederbelebung aus verkaufstechnischen Gründen erspart blieb.
Doch nicht nur das Leiden Mar-Vells, sondern auch das seiner Gefährten und Freunde ist wichtiger Gegenstand der Geschichte. Ohnmächtige Wut, Trauer und Hilflosigkeit lassen sie noch dort kämpfen und verzweifelt nach Lösungen suchen, wo sich der Held schon längst in sein Schicksal gefügt hat. Dieses ist dann auch der autobiografischte - weil durch und durch realistische - Teil der Grafik Novelle, die bildhafte Verarbeitung des eigenen Schmerzes.
Den inhaltlichen Qualitäten stehen die künstlerischen in nichts nach. Der Seitenaufbau entspricht dem damals gängigen Schema: eine "einfache" Form und "normale" Größe der Panels sowie die Leserichtung - von (links)oben nach (rechts)unten - erlauben es dem Leser, sich ganz auf den Inhalt zu konzentrieren, ohne dabei einen Universitätsabschluss in Comic-Kryptographie besitzen zu müssen.
Die Zeichnungen selbst sind zurückhaltend dynamisch, ausdrucksstark und detailliert, wobei die schlanken - und dennoch natürlich wirkenden - Proportionen der Figuren sofort ins Auge fallen.
In der Farbgestaltung dominiert das Bunte, obwohl einige wenige Passagen aus dramaturgischen Gründen auch monochrom gehalten sind.
An der Qualität der Übersetzung und des Druckes gibt es ebenfalls nichts zu bemängeln.
Fazit: Eine exzellent erzählte, fesselnde und bewegende Story mit großartigen Zeichnungen! Ein Highlight des Genres, welches beweist, dass selbst Spider-Man & Co. Unterhaltung auf höchstem Niveau darstellen können.
10 von 10 Punkten.
Nuff said