Titel: Der Tod der Märchenmacher Eine Rezension von Doreen Below |
Kurzbeschreibung:
Freddy, von seiner Freundin Melissa frisch abserviert, bleibt wenig Zeit, seine Tränen zu trocknen. Ausgerechnet das unattraktivste Mädchen der Schule, Cindy Crow, bittet um seine Hilfe. In ihrer Hand hält sie ein unvollendetes Märchen der Gebrüder Grimm, in dem sie die Prinzessin sei, und er der große Held mit blondem Haar, dazu auserkoren, das Märchen so enden zu lassen, wie sie alle enden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Freddy hält Cindy für verrückt, doch als ihn kurz darauf ein sprechender Wolf anlacht, glaubt er sich in einem Traum wiederzufinden. Doch Taro, Wolfis Frauchen, hat ein größeres Problem: Die schwarze Kutsche ist unterwegs und gruselige Gestalten haben Taros Großmutter entführt. Die Märchenwelt ist in Gefahr und droht unterzugehen! Besitzt Freddy doch das besondere Etwas, das Helden zu Helden macht?
Meine Meinung:
Es war einmal … so beginnen sie meistens, die großen Märchen von gestern. Da gibt es tapfere Helden, die sich frohen Mutes aufmachen, um die holde Prinzessin aus einer misslichen Lage zu befreien. Oder das furchtlose Rotkäppchen, das es mit einem bösartig, schnarchenden Wolf aufnehmen muss, damit es die fast verdaute Großmutter erlösen kann. Fabelhafte Welten eröffnen sich dem Leser und sorgen für ein kurzweiliges wie zauberhaftes Erlebnis. Aber was passiert, wenn ein sprücheklopfender Held aus der Gegenwart, ein schwertschwingendes Rotkäppchen und ein überhaupt nicht böser Wolf(i) in einem Abenteuer aufeinander treffen? Ja, dann ist man mitten drin in Thomas Webers Debütroman "Der Tod der Märchenmacher" - ein komisches Märchenrevival der (für mich) haarsträubenden Art.
Wer jede Menge Gefahr liebt, gerne von einer tosenden Lawine in die nächste stürzt und dabei seinen Humor nicht verliert, der könnte an dieser dämonischen Märchenparodie einen Narren fressen. Für alle anderen jedoch dürfte Freddys übermütige Prinzessinnen-ähm-Großmutter-Befreiungs-Aktion ein tödlich langatmiges Ende nehmen. Mit einer gigantischen Wagenladung plumpen Humors sowie allerhand actionlastiger Szenerien bewaffnet, macht es sich Thomas Weber nämlich zur Aufgabe, die bedrohte Welt der Märchen vor dem Untergang zu bewahren. Etwas modernere Bösewichte stehen ihm dabei ebenso Pate, wie allseits beliebte Märchenfiguren. Ergo gibt es u. a. kaum erwähnenswerte Begegnungen mit Schneewittchen, Hans im Glück oder im Wald verteilten Brotkrumen. Schaurige Seelenfänger und raubeinige Piraten, die mich gelegentlich an den Blockbuster "Fluch der Karibik" (leider ohne den grandiosen Captain Jack Sparrow) erinnerten, sind da mitunter das geringere Übel.
Wo reichlich Action und Humor zu finden sind, fehlt es gelegentlich an der nötigen Tiefe. Für mich persönlich ein wichtiger Nebeneffekt. Charaktere in dessen Seelen ich blicken darf, vermag ich in mein Herz zu schließen, sonst … Freddy, Taro und Wolfi sind in mancher Hinsicht funktionierende Protagonisten, mit denen es sich durchaus gut mitfiebern lässt. Keine Frage! Das Gefühl die drei wirklich zu kennen, kam bei mir aber nie so recht auf. Als Leser kratzt man lediglich an der Oberfläche der drei Hauptfiguren. Während der 15-jährige Freddy nicht mit flotten Sprüchen geizt und zuweilen seinen Mut suchen muss, ist die kämpferische Taro ein Mädchen, das man ständig knutschen könnte (damit spiele ich vielmehr auf ein zugegeben interessantes Geheimnis an, das sie umgibt). Fehlt nur noch Wolfi, der seinem kreativ auferlegten Namen alle Ehre macht und hier eher den schlauen Fuchs, als den angsteinflößenden Fleischfresser mimt. Ja, es handelt sich tatsächlich um einen flauschigen Wolf zum ankuscheln.
Man könnte gewiss glauben, dass diese Mischung ein Garant für ein grandioses Kopfkino ist. Für mich leider nicht! Die witzigen Dialoge erschienen mir größtenteils zu aufgesetzt und die überladenen Schlitterpartien durch die dämonische Märchenwelt entlockten mir mehr als einmal einen ermüdeten Seufzer. Wenn Freddy z. B. ausversehen dem falschen Schneewittchen an die Wäsche geht und dafür an den Pranger gestellt wird, dann musste ich mich gelegentlich schon auf die Suche nach meinem Humor begeben. Für mich also eine perfekte Nachtlektüre, wenn die Schlaftablette nicht hilft. Auch hier gilt: weniger wäre mehr gewesen. Was nutzt mir ein abenteuerliches Szenario nach dem anderen, wenn der Rest dabei auf der Strecke bleibt – dazu noch in Speedgeschwindigkeit abgespult? Meine Phantasie vermochte den fliehenden Worten kaum zu folgen. Da konnten mich selbst unterhaltsamere Momente (z. B. Taros Wiedersehen mit ihrem verfluchten "Vater") nicht mehr aus der eingeschlichenen Lethargie befreien.
Sicherlich wird es Leser geben, die sich voller Tatendrang in diese überspitze Märchenparodie katapultieren lassen und sich bei Freddys aberwitzigen Sprüchen auf die Schenkel klopfen. Gute Ideen sind durchaus vorhanden und wenn man der Story eines nicht vorwerfen kann, dann dass sie vorhersehbar ist (zumindest den Plot betreffend). Trotzdem! Meins war es nicht. Mein Tipp deshalb: wer die Neuverfilmungen der einst beliebten Zeichentrickserie "Scooby Doo" mochte und ein Faible für haltlos übertriebene Parodien besitzt, der könnte hier eventuell Freundschaft mit Freddy & Co. schließen. Ich für meinen Teil kehre ohne Bedauern in die Realität zurück und halte mich weiterhin an die Märchen meiner Kindheit, sollte mir so schnell danach zumute sein. Für mich wurde es nämlich bis zum heldenhaft einfach gelösten Ende nicht besser ... und wenn sie nicht gestorben sind, dann…
Kurz gesagt:
"Der Tod der Märchenmacher" ist eine komisch, überdrehte Märchenparodie für Jung und Alt. Gemeinsam mit Freddy, Taro & Wolfi auf etliche Märchenfiguren und Bösewichte zu treffen, ist schon ein gruselig, abenteuerliches Unterfangen – flotte Sprüche sind genauso mit von der Partie, wie seichte Charaktere und allerhand dämonische Schlitterpartien. Gute Nacht!