Titel / Originaltitel: Der Schwarm Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek
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Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Roman durch ein Interview mit Frank Schätzing aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, welches kurz vor dem Erscheinungstag erschien. Im Vorspann wird Der Schwarm als "Endzeitthriller" oder als "Thriller" bezeichnet. Der Einordnung als "Science Fiction" wird konsequent vermieden und der Begriff taucht im Roman selbst lediglich an ein oder zwei Stellen auf. Dabei spielt die Romanhandlung nicht nur in der nahen Zukunft - nämlich in diesem und im Jahr 2005 - sondern auch die gesamte Handlung ist reine Science und Fiction.
Der Autor Frank Schätzing legte 1996 mit Tod und Teufel seinen Debütroman vor und hat bislang Krimis/Thriller verfaßt. Darunter der Politthriller Lautlos (2000). Will man den Angaben des Interviews Glauben schenken, so scheint die Verlagswelt vom Erfolg von Der Schwarm überzeugt zu sein, denn es wird von einer "hohen Summe" für die Taschenbuchrechte gesprochen.
Aufhänger des gesamten Romans ist die uns bislang fast völlig unbekannte Lebensvielfalt der Tiefsee. Wohl jedem dürfte die Aussage bekannt vorkommen, dass die Menschheit mehr über den Weltraum weiß wie über die Tiefsee. Schätzings Roman basiert auf der Annahme, dass sich innerhalb der Tiefsee, einem für die Menschen fast völlig unzugänglichem Ort, über Jahrmillionen Leben entwickelt und alle globalen Katastrophen überstanden hat. Intelligentes Leben, welches sich durch die menschliche Existenz bedroht sieht und dementsprechend handelt.
Die ersten Anzeichen für eine globale Bedrohung des menschlichen Lebens werden als solche gar nicht erkannt. Lediglich einzelne Personen an weit voneinander entfernten Orten der Welt beginnen sich Sorgen zu machen. Sorgen über ganz bestimmte Phänomene wie das Ausbleiben der Wale vor der kanadischen Küste oder das massenweise Auftreten ungewöhnlicher Würmer, die sich in das Shelf vor Norwegen fressen. Als globale Bedrohung werden all diese einzelnen Begebenheiten erst dann in Zusammenhang gebracht, als Wale Fischerboote angreifen, Haie weltweit Taucher attackieren und Muscheln Schiffsschrauben und -steuersysteme blockieren, was zu Havarien und Zusammenstöße führt. Bis dahin versuchen die einzelnen Wissenschaftler und Handlungsträger noch die lokalen Veränderungen der Meerstier- und -pflanzenwelt zu untersuchen.
Eine Bündelung aller Kräfte unter dem Dach der UNO und der tatkräftigen Unterstützung durch die USA wird erforderlich, als der Kontinentalhang des Nordmeeres durch das Wirken der Würmer destabilisiert wird und schließlich abrutscht. Dies löst eine riesige Flutwelle aus, die nicht nur die gesamte Ölförderungsindustrie in der Nordsee und vor Norwegen zerstört, sondern auch die Küstenlandstriche ganzer Länder wie Niederlande, Deutschland, Dänemark, Norwegen usw.. Millionen Menschen sterben und ungeheuere Sachwerte werden vernichtet. Die globalen Auswirkungen sind katastrophal, zudem eine durch Meereslebewesen eingeschleppte Seuche weite Landstriche Frankreichs und der USA überzieht.
Bis dahin spielte die Handlung an den unterschiedlichsten Schauplätzen der Erde. Nun aber konzentriert Frank Schätzing den Großteil seiner Handlungsfiguren auf die U.S.S. Independence, einem neu gebauten Hubschrauberträger, dessen technische Ausstattung und Bauart für die Erforschung einer Bedrohung aus dem Meer am besten gerüstet erscheint. Ab hier gewinnen die Ereignisse so richtig an Fahrt und der Autor wechselt vom Wissenschaftsroman zum Thriller über.?
Hier stehen auf der einen Seite die Wissenschaftler und einige Personen, die sich mit dem maritimen Leben bereits seit Jahrzehnten beschäftigen und auf der anderen Seite die US-Militärs. Während die einen versuchen die fremde Intelligenz als solche zu erfassen und zu begreifen, sehen die anderen in ihnen lediglich eine Bedrohung für die Menschheit und vor allem für die USA. Diese handeln frei nach dem Motto: wenn wir (die USA) sie nicht für uns alleine in Besitz nehmen können, soll dies keiner tun. Wohl jeder kann sich vorstellen, worin dieser Gegensatz gipfelt, in einer tödlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien.
Mir persönlich war dieser Teil der Handlung zu überschaubar und klischeehaft und der Unterhaltung des Lesers geschuldet. Natürlich muss der Autor seine Leser unterhalten, denn letztlich handelt es sich nicht um ein Wissenschaftsbuch, sondern um einen "Endzeitthriller". Da diese Passagen aber nur einen geringen Umfang des Romans darstellen und zudem spannend geschildert werden, trübt es nicht den Gesamteindruck.
Eindeutig positiv zu vermerken ist, dass trotz aller Länge die Spannung gehalten wird. Selbst wenn der Autor einzelne Figuren und ihr Leben näher beleuchtet und diese Passagen für die Gesamthandlung nur am Rande von Interesse sind, ist dies der Fall. Dem gesamten Roman ist anzumerken, dass der Autor sehr lange (im Interview spricht er von insgesamt vier Jahren) und ausführlich recherchierte. Für mich als Leser, der überhaupt kein Vorwissen über die Meeresbiologie und -geologie besitzt, eröffnet der Autor eine neue Welt und versteht diese plastisch und nicht allzu wissenschaftlich zu schildern. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Lektor hier einiges an Arbeit investieren musste, um viele Passagen nicht mit zuviel wissenschaftlichen Erkenntnisse aufzubläen und dadurch unverständlich werden zu lassen (so etwas deutet Schätzing im Interview jedenfalls an).
Weiterhin gut gefallen hat mir die Vielzahl der unterschiedlichen Handlungsträger. So kann die Gesamthandlung aus den verschiedensten Perspektiven geschildert werden und gewinnt so an Breite und zusetzlich an Tiefe, denn Schätzing nutzt den Raum auch zu ausführlichen Charakterisierungen.
Dabei bietet der Roman letztlich weitaus mehr als ein konventionell verfaßter Thriller, dürfte sich aber unter diesem Label halt wesentlich besser verkaufen als unter "Science Fiction" oder "Wissenschaftsroman". Ich persönlich würde ihn als lupenreinen, wissenschaftlich fundiert geschilderten SF-Roman einordnen, auch wenn der Autor selbst mit solch einer Etikettierung nicht glücklich sein mag.
Auf alle Fälle handelt es sich um einen Roman, der weitaus lesenswerter ist wie vieles was unter dem Label SF in den letzten Monaten erschien.
Der Schwarm - Rezensionsübersicht