Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Der vorliegende Roman knüpft unmittelbar an das Cliffhanger-Ende des ersten Titan-Bandes an. Wer darüber Näheres erfahren möchte, muss allerdings wohl oder übel an anderer Stelle suchen, denn ich bin um jede Zeile froh, die mich weiter von „Nemesis“ wegbringt.
Shit happens! Eine Raumanomalie saugt die geheime Raumflotte der Romulaner, das Flaggschiff Commander Donatras, einen klingonischen Paranoidenkreuzer sowie die U.S.S. Titan, jenes Föderationsforschungsschiff, auf dem sich Captain Riker und seine Liebesdienerin Deanna Troi ihren Imzadiflüstereien hingeben, einschließlich dessen etwa 350 Mitglieder zählende Crew aus Pi mal Daumen 500 unterschiedlichen Spezies, in sich hinein, um sie justament in der etwa 200000 Lichtjahre entfernten Kleinen Magellan'schen Wolke wieder zu erbrechen. Eine solche Wurmloch-Bulimie wirft zwar keinen wackeren Kosmonauten emotional aus der Bahn - erst recht nicht Jan und Hein und Klaas und Pit oder wie sie hier heißen: Shenti Ysec Eres Ree, Torvig Bu-kar-nguv, Xin Ra-Havareii und K'chak'!'op -, aber dennoch greift zunächst ob der fremden Umgebung eine gewisse Irritation Raum.
Während die Datenbanken der Titan bis knapp unter das oberste Luk mit Informationen über diesen Weltraumsektor gefüllt sind, da in dieses Loch schon des Öfteren Föderationsschiffe fielen - unter anderen die U.S.S. Excelsior unter Captain Sulu -, tappen Donatra & Co. im Stockdustern.
Erfreulicherweise gelingt es der Romulanerin, einen Vertreter der hier heimischen Neyel - einer mit der Menschheit verwandten Rasse mit lustigen Schwänzen (hinten) und mehr als zwei Armen (seitlich) - aus dem luftleeren Raum zu pflücken, um ihn ganz nach Art romulanischer Gastfreundschaft einer mehr peinlichen als hochnötigen Befragung zu unterziehen, nach dem Motto „Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?“. Bedauerlicherweise erweist sich ausgerechnet dieser Alien namens Frane als gestandener Esoteriker und Gutneyel, der seinem Volk ob dessen böser Unterdrückung anderer Spezies dieses Sektors den Tod oder wenigstens die biochemische Fluktuation an den Hals wünscht.
Sei es drum. Ohne eine Zusammenarbeit von Titaniern und Romulanern wird es erstens schwierig, den blind herumirrenden Rest der Flotte einzufangen, und zweitens, einer ominösen Gefahr Herr zu werden, die - als könnte nichts nahe liegender sein - von Föderationswissenschaftlern mit unaussprechlichen Namen im Handumdrehen als schnell expandierendes sapienogenisches Protouniversum identifiziert, d.h. als kleines Quantending mit Bewusstsein, das den großen Macker markieren will und dabei - wie Kinder nun einmal sind - den Rest des Sektors mit sich selbst überschreibt.
Ärgerlicherweise hält das Viech gerade die Computersysteme der romulanischen Irrläufer besetzt, ob mit Vorsatz oder aus Dusseligkeit lässt sich schwer sagen. Tatsache ist: Das Ding muss da raus! Ist für die „Födies“ auch keine große Sache, nur dass das schnell expandierende sapienogenische Protouniversum dadurch Migräne bekommt und übellaunigerweise ausgerechnet das Sonnensystem als nächstes auszuradieren droht, das den Heimat-Planeten der Neyel beherbergt. Sowas geht ja nun gar nicht! Und was ein echter Riker ist, der versucht einen ganzen Planeten zu evakuieren, auch wenn es auf der Titan echt eng werden sollte. Aber wo Platz für 300 ist, da passen auch ein paar Hundert Millionen rein ... naja ... vielleicht auch zwei, drei weniger ...
Hammerhart! Bei der Lektüre dieses Romanes fühlte ich alter Sack mich wieder 20 Jahre jünger, zurückversetzt in eine Zeit, in der sinnloses Technobabbel und abstruse, hanebüchene Storys zumindest für uns einfach gestrickte SF-Fans noch den TV-Show-Himmel auf Erden bedeuteten.
Da ist dann schon mal von geordneten Energie- und Verbrauchskurven die Rede, von enormen Vorkommen akkumulierender negativer Entropie sowie anderen zahlreichen extremen und anhaltenden umgebungsbedingten Unausgeglichenheiten. Saugeil! Da geht dem Nerd doch gleich einer ab!
Die ersten 130 Seiten sind voll von diesem sinnlosen Zeug, voll von Namen, Zusammenhängen und Bezügen zu trek'schen TV-Episoden und Romanen, die zum Teil noch immer ihrer deutschen Veröffentlichung harren. Und genau deshalb ist das Buch für „normale“ Leser und Gelegenheits-Trekkies stellenweise so unterhaltsam wie das Telefonbuch von Kuala Lumpur.
Der Grundplot um das schnell expandierende sapienogenische Protouniversum und alles, was damit zusammenhängt - der pseudowissenschaftliche Hintergrund, die oberflächlichen Analysen, welche schamanistischem Bäumepimpern gleichkommen, die letztlich haltlosen Schlussfolgerungen, der abstruse Gedanke, dass das kollektive Gedächtnis von Spezies - manifestiert in ihren Mythen - Milliarden Jahre zurückreicht, usw. -, ist demgegenüber weniger langweilig als vielmehr strunzdämlich.
Wissenschaftsoffizier ZcHnr ²Zorr~zarg' hängt seinen Sensor aus der Ladeluke, dreht sich auf seinen vier kukurukuzuwuzförmigen Rudimentärwurzeln zweimal rechtsrum im Kreis, klopft auf seine Diagnose-Glaskugel, um mit Grabesstimme zu sagen:
„Hey! Captain! Da draußen randaliert ein intelligentes Protouniversum.“
Auf der Brücke bricht spontaner Applaus aus. Mehrere Crewmen fangen angesichts so viel wissenschaftlichen Sachverstandes vor Rührung an zu weinen, während sich Riker auf die Stirn schlägt:
„Na klar! Was sonst!“
Ok! Star Trek ist als Science Fiction grundsätzlich entschuldigt, aber zumindest mich befriedigen Storys auf dem Niveau von „Der böse Weltraum-Wolf versucht (warum auch immer), die Torpedophalanx der Titan umzupusten!“ schon seit geraumer Zeit nicht mehr.
Ein gutwilliger Leser könnte einwenden, dass auch der haarsträubendste Plot als Aufhänger für moralische Dilemmata und faszinierende Charakterzeichnungen dienen könnte, zumal - glaubt man den Hardcore-Fans - solcherlei Tiefgründigkeiten immer schon das Salz in der Star-Trek-Suppe gewesen sein sollen. M & M (Martin & Mangels) jedenfalls kredenzen ihre Suppe quasi salzlos.
Zum einen sind Haupt-Protagonisten des Romans - an erster Stelle Donatra, Riker und Frane - in ihren Rollenklischees, die sich gerade bei Star Trek (u.a.) immer aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Spezies (Mensch, Klingone, Romulaner usw.) ableiten, gefangen und verhalten sich so vohersehbar, dass keinerlei Spannung aufkommt, zum anderen werden Dilemmata und interessante Fragen - Welche Bedeutung hat die Menschheit innerhalb der und für die Föderation? Nach welchen Kriterien erfolgt die Evakuierung des Neyel-Planeten (Oghen), d.h. nach welchen Kriterien wird über Leben und Tod entschieden? - höchstens angerissen, nicht aber diskutiert.
Zugegeben, einige Dialoge sind recht unterhaltsam - weil bissig geführt -, aber dieses ist unter Strich viel zu wenig, um ein 377-Seiten-Buch anzuheben, geschweige denn zu tragen.
Als Griff ins Klo erweist sich bisher auch der Speziesreichtum an Bord der Titan, dessen Handlungsrelevanz vor allem anderen darin besteht, den Leser mit unaussprechlichen Namen des seelischen Gleichgewichts zu berauben, um so den trägen Fluss der drögen Handlung stellenweise zum Erliegen zu bringen.
Was als zentrale Botschaft des Romans bleibt, ist ein gutmenschliches „Wir sind doch alle Freunde und müssen an einem Strang ziehen“, und damit die Erkenntnis, dass die Titan-Reihe - im Gegensatz zur Vanguard-Serie - aller Voraussicht nach eine Stagnation des Franchise auf niedrigem Niveau bedeutet.
Fazit: Ein Star-Trek-Roman für Fans (mehr muss an dieser Stelle nicht gesagt werden, oder? ^^).
Der rote König - die Rezension von Andreas Schweitzer