Reihe: Mythgarthr, 1. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Art ist ein Mann, der sich sich nach vielen Jahren an seine Jugend erinnert und an seinen Bruder Ben. Seit er im Wald allein an der Hütte war und sich unser zukünftiger Held im Wald verlief, ist viel Zeit ins Land gegangen. Jetzt will er die Möglichkeit nutzen, seinem Bruder zu schreiben, was damals genau geschah.
Ben musste zurück zu Geri, und Art blieb allein zurück, sollte Ben doch am nächsten Tag wiederkommen. Allerdings verlief sich Art im Wald und findet sich unvermittelt in der phantastischen Welt Mythgarthr wieder. Mythgarthr ist eine von sieben Welten voller phantastischer Wunder. Die sieben Welten sind mittels magischer Tore zu erreichen und alle untereinander verbunden. Durch eines dieser Tore gelangte Art unversehens von der Erde aus nach Mythgarthr. Bei seinen Abenteuern stellt Art zudem fest, dass die Zeiten der verschiedenen Welten unterschiedlich verlaufen, mal schneller, mal langsamer als auf der Erde. Daher können Kämpfe mit Drachen oder andere Abenteuer Jahre dauern, während an anderer Stelle gerade einmal eine Nacht vergeht.
Unterwegs in der fremden Welt trifft er zuerst auf eine alte Frau, die ihm eine großartige Zukunft als Ritter vorhersagt. Wenig später trifft er auf eine Waldnymphe, mit der er eine wundervolle Liebesnacht verbringt und am nächsten Morgen als erwachsener Mann aufwacht. In seiner Liebe zu ihr nennt er sich fortan Sir Able of the High Heart und macht sich auf eine gefährliche Reise, nur von einem geborstenen Schwert namens Lut (siehe auch Poul Anderson Das geborstene Schwert, zuletzt erschienen im Piper Verlag) und dem sprechenden Wolfshund Gylf begleitet. Er ist willens ein Ritter zu werden, um so seinen eigenen Wünschen zu folgen. Sir Able findet sich in eine Welt versetzt, die ihm fremd, aber auch zugleich vertraut erscheint. Es gibt die Götter, Riesen, Drachen, Elfen und andere Fabelwesen, die hier ein wenig anders heißen und auch etwas anders charakterisiert sind, doch bleibt es die aus den Märchenbüchern bekannte Umgebung. Eine Ausbildung als Ritter ist hart, und er muss gegen Riesen, Drachen und andere kämpfen, um die Liebe zu einer Königin ringen, mit Schwert und Lanze, zu Fuß und zu Pferd gegen das vermeintlich Böse kämpfen. Gene Wolfe verlässt in keiner dieser Beschreibungen die ausgetretenen Pfade der Märchen und Fantasy-Geschichten. Allerdings gelingt es ihm, eine glaubhafte mittelalterliche Welt vor den Augen des Lesers aufzubauen und manch einen ausgetretenen Pfad mit neuen Ideen und Wesenheiten zu bevölkern. Sir Able muss innerhalb des Romans die üblichen Prüfungen und Kämpfe bestehen, um seine ritterlichen Tugenden unter Beweis zu stellen. Und obwohl Sir Able in einem gar zu männlichen Ritterkörper umherwandelt, ist der Erzähler weiterhin ein Junge. So bleibt die Beschreibung im Brief an seinen Bruder Art weiterhin kindlich und kann durchaus als Tagtraum eines pubertären Jungen betrachtet werden. Oder wer noch einen Schritt weiter gehen will, vergleicht ihn mit Cervantes' Don Quijote. Da die Leser nie mehr Wissen erhalten als der Ritter selbst erfährt, schwebt über dem Buch immer eine gewisse Spannung.
Der Autor Gene Wolfe ist ein sehr interessanter Schriftsteller. Seine phantastische Heimat ist die Science Fiction, wo er mit dem fünfbändigen Zyklus Das Buch der neuen Sonne viel Aufsehen erregte. Mit den beiden Romanen, Der Ritter und Der Zauberer, letzterer erscheint im Herbst 2006, begibt er sich zum ersten Mal ins Reich der Fantasy. Das episch anmutende Werk ist sich dabei nicht zu schade, alle bestehenden Fantasy-Klischees zu bedienen. Aus der Sicht des Briefeschreibers Art, der auf diese Weise seinen Bruder Ben erreichen will (ähnlich wie bei Alan Burt Akers und seinen Scorpio-Romanen), erleben wir den Reifeprozess eines Jünglings zum Mann. Mit der naiven Sicht des Schreibenden kommt man manchmal auf den Gedanken, Gene Wolfe hätte bei einem Kind abgeschrieben. Das Buch ist reizvoll, fesselnd und damit lesenswert. Ein humorvoller Fantasyroman, der auf die Fortsetzung neugierig macht.