| Reihe: Die Königsmörder-Chronik, 1. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Wir lernen Kote kennen, den Wirt eines kleinen Gasthauses, in dem er den Rest seines Lebens verbringen will. Dabei ist er gerade einmal Mitte zwanzig, sieht mit seinem faltigen Gesicht aber älter aus. Seinem Gehilfen Bast erklärt er, er sei Wächter einer Karawane gewesen, der einen Pfeilschuss abbekommen hat. Ein dankbarer Händler habe ihm das Geld für dieses kleine Wirtshaus aus Dankbarkeit gegeben. Sein Leben ändert sich, als ein Fremder in sein Wirtshaus kommt und in ihm Kvothe erkennt, einen Mann, der so gut singen konnte, dass der Besucher als Kind Rotz und Wasser geheult hat, so ergreifend sei Kvothes Lied gewesen. Selbst die Pflastersteine seien zersprungen. Zuerst bleibt Kote bei seiner Geschichte, nur ein Wirt zu sein, doch schließlich erklärt er sich bereit, seine Geschichte zu erzählen, verlangt aber dafür drei Tage. (Daher kommt auch der amerikanische Originaltitel.) Und aus Kote, dem freundlichen und zurückhaltenden Wirt, wird Kvothe.
Kvothe kam als Kind fahrender Künstler auf die Welt. Seither kam er mit Schauspielern, Jongleuren und anderen fahrenden Künstlern in Kontakt und lernte viel von ihnen. Kein Geheimnis blieb vor ihm sicher, und er lernte jeden Trick und jeden Kniff, der ihm gezeigt wurde, und manchen, der ihm nicht gezeigt wurde. Er lernte die Schauspielerei und die Liebe zur Musik kennen. Eines Tages schließt sich der fahrenden Truppe ein Mann an, der als Zauberer und Magier seine Tricks vorführt. Von ihm lernt er das ganze arkane Wissen kennen. Er lernt alles über die Geheimnisse der Kräuter und die Anwendung. Das Gleiche gilt für alle anderen Substanzen, die für Tränke und Pulver verwendet werden. Der Zauberer kennt den wahren Namen des Windes und kann ihm daher Befehle geben. So wie jeder, der den wahren Namen der einzelnen Dinge und Lebewesen kennt, kann er diesen befehlen. So lebt der Junge behütet, ohne sich um sein Leben kümmern zu müssen. Das sorgenfreie Leben endet mit einem Überfall der Chandrians. Die dämonischen, unsterblichen Lebewesen galten als Sagenfiguren und wurden gemeinhin als Kinderschreck eingesetzt. Kvothe lernt die andere Seite der Sagen kennen, den wahren Kern, der überall darin steckt. Das Leben des fahrenden Volkes wurde durch die Chandrians ausgelöscht und lediglich Kvothe kann fliehen. Er überlebt zuerst im Wald, dann als Bettelknabe in der Küstenstadt Tarbean. Endlich gelingt es ihm, an der Universität aufgenommen zu werden. War ihm schon als Junge das Wissen fast zugeflogen, so nimmt er das Wissen an der Universität auf, wie ein trockener Schwamm Wasser aufsaugt. Der Antrieb für seinen Lerneifer ist die Rache. Er schwor sich, den Tod seiner Eltern zu rächen. An der Universität lernt er wieder die Schönheit der Musik und das Lautenspiel lieben und entwickelt sich zu einem wahren Meister. Weil ihm scheinbar alles wie von selbst zufliegt, hat er ein übersteigertes, bis an Arroganz grenzendes Selbstbewusstsein. Das sorgt zudem dafür, dass er immer wieder die Grenzen der Universitätsregeln überschreitet. Als eine Art Lieblingsschüler wird ihm viel verziehen.
Trotzdem geht ihm auch einiges schief. Er will mit einer Teersorte arbeiten, ist jedoch nicht sorgfältig genug und bringt nicht nur sich, sondern auch Fela und andere in Gefahr. Glück im Unglück: Fela kommt mit wenigen Verletzungen davon und Kvothe wird auch keinerlei bleibenden Schäden zurückbehalten.
„Warum erwähne ich gerade diese Szene?“, wird man sich fragen. Nun, sie steht für jede andere Szene. Kvothe erzählt in Ich-Form, wie es ihm ergangen ist, und in einer solchen Szene wird vieles deutlich. Eine Erzähltiefe, in der man sich lebhaft vorstellen kann, wie die Räumlichkeiten aussehen, was dort geschieht, wie er Leben rettet, das er selbstverschuldet in Gefahr brachte, dass er nicht der strahlende Held ist und vieles mehr. Patrick Rothfuss gelingt mit wenigen Worten etwas zu erzählen, wo andere Autoren fast einen ganzen Roman bemühen.
In der letzten Zeit habe ich wirklich viele Romane gelesen, wo Kinder als Waise oder Halbwaise aufwachsen und aus Rache die halbe Welt umkrempeln. Es gibt genügend Romane, die eigene Welten aufbauen, wo sich unglücklich verliebte Frauen in den Helden vergucken, wo andere Frauen leichthin dem Helden schöne Augen machen oder böse Feinde ihm das Leben schwer machen. Ja, es gibt genug davon, und mehr als einmal habe ich gesagt: Jetzt reicht’s. Trotzdem bin ich bei diesem Buch dran geblieben, habe mir eine Nacht um die Ohren gehauen, weil ich nicht zu lesen aufhören wollte. Dabei enthält dieser Roman all die Dinge, die jeder andere Fantasy-Roman ebenfalls sein Eigen nennt. Sehr gut gefiel mir, dass Patrick Rothfuss seine Welt nicht in allen Einzelheiten darlegte. So bleibt Platz für die eigene Phantasie, und der Leser begleitet den Ich-Erzähler umso lieber. Gleichzeitig setzt Rothfuss mit einer leicht oberflächlich erscheinenden Beschreibung ein tiefes Gefühlsleben der alles beherrschenden Erzählfigur voraus und vertieft es mit jeder weiteren Beschreibung. Patrick Rothfuss lässt sogar die Stille lebendig werden.
Ich habe jetzt, da ich die Buchbesprechung geschrieben habe, keine Ahnung, was andere Leser über das Buch denken oder Rezensenten geschrieben haben. Nur eines ist sicher: Hätte ich die Möglichkeit, einen Fantasy-Preis zu vergeben, so wäre dieses Buch des Autoren Patrick Rothfuss mein einziger Favorit.