Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Die Idee ist an sich logisch und genial: Um die Abhängigkeit der westlichen Welt vom Öl der Araber zu verringern, plant man ein bisher nie dagewesenes Projekt. Man möchte mehrere Teams 5 Millionen Jahre in die Vergangenheit schicken, um eine Pipeline durch das damals wasserlose Mittelmeer zu bauen, welche das unter den arabischen Nationalstaaten liegende Öl in die Nordsee pumpt. Dort soll es von als Bohrinsel getarnten Zeitmaschinen wieder in die Gegenwart zurückgebracht werden.
Über die NASA und unter Federführung der Navy sucht man geeignete Spezialisten, denen man diese Mission anvertrauen kann. Einer dieser Menschen ist der Ex-Astronaut Steve Stanley, der in dem "Westsenken-Projekt" das letzte Abenteuer seiner Karriere sucht.
In der Vergangenheit angekommen, erkennt Steve sofort, dass er keinesfalls in das Paradies der Vorzeit gelangt ist, sondern eher in die Apokalypse.
Er und sein Team werden mit taktischen Atomgranaten beschossen; in der Vergangenheit der Erde scheint ein gnadenloser Krieg zu herrschen. Eine Gruppe Vormenschen, durchaus des Englischen mächtig und gut im Umgang mit der MG, führt die Neuankömmlinge in eine Festung der Amerikaner im Süden des zukünftigen Sardiniens, wo sie die ganze Bandbreite des Versagens des Projektes erfahren. Weder wurde die zugesagte Streubreite bei den Reisen in die Vergangenheiten eingehalten - geplant waren 6 bis acht Jahre, in Wirklichkeit wurden es 200 Jahre - noch ist die zugesagte Rückkehr in die Zukunft nach fünf Jahren je Realität geworden. Steve und die anderen Zeitreisenden sind nun Teil eines erbitterten Krieges zwischen den Westmächten, den Arabern, die ebenfalls in die Vergangenheit reisten, und zudem einem wilden Gemisch verschiedenster Staaten aus Hunderten altivernativen Zukünften, seien es Deutsche aus einem habsburgerischen Kaiserreich oder Italiener aus einem vatikanischen Weltreich ...
Alle führen sie Kleinkriege, machen das Beste aus ihrer Situation oder reisen nach Atlantis, einer Kolonie bei den Bermudas, die als Rückholzone in die Zukunft geplant war, aber nun ohne diese Aussicht auf sich allein gestellt ist.
Wolfgang Jeschke liefert hier einen spannenden Abenteuerroman, vollgepackt mit den typischen Problemen einer Zeitreise. Er bringt alle mystischen und pseudomystischen Elemente der Atlantissaga und der Präastronautik in Einklang und vermischt dies zu einer ergreifenden Tragödie der Menschheit.
Zwar wird dem aufmerksamen Leser schon nach den ersten Seiten klar, dass das Projekt scheitern wird (man muss ein wenig die Logik der Zeitreise anwenden), aber trotzdem wird man überrascht, wie dramatisch die Niederlage auf allen Seiten ist und wie wenig man die zweite Chance nutzt, die sich den in der Zeit Gestrandeten bietet: die Menschheit 5 Millionen Jahre früher zur Zivilisation zu führen.
Spannend zudem, wie die verschiedenen angekommenen Teams mit dem Dilemma ihrer verschiedenen Zukünfte zurechtkommen.
Empfehlenswert.