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Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
In der britischen Metropole London soll im Jahr 1851 die große Weltausstellung stattfinden. Die Königin, ihr Hofstaat und Besucher aus der ganzen Welt werden zur Eröffnung erwartet. Über der Hauptstadt des britischen Empire liegt eine angespannte Erwartung. Wird das Vorhaben, eine riesige Glaskuppel zu bauen und dort die größte Weltausstellung zu eröffnen, gelingen? 4.500 Tonnen Stahl und 300.000 Glasscheiben wurden verbaut, um die Kuppel mitten im Hydepark, gegen den Widerstand der Anwohner zu errichten. Am 26. September 1850 wurde damit begonnen, die 1851 Fuss lange Kuppel zu erstellen. Im Volksmund wurde bald das Gebäude als Kristallpalast bezeichnet. Nur wenig später war der Name in der Presse verbreitet und so in aller Munde. Eine Ausstellung von nie dagewesenen Ausmaßen, the great exhibition, präsentiert Kunstwerke, Kulturdarstellungen und technische Errungenschaften, die die Welt noch nie in dieser Fülle gesehen hat. Doch nicht nur Altbewährtes, sondern auch revolutionäre und utopische Ideen, die die Vorherrschaft des britischen Imperiums aller Welt deutlichen machen soll, werden dem staunenden Publikum vorgestellt.
Kurz vor Beginn der Ausstellung wird ein Mitglied der königlichen Kommission unter sehr mysteriösen Umständen ermordet aufgefunden. Miss Niobe, die geheimnisvolle Fremde ungeklärter Herkunft, und Lord Roderick Bailey sind die Finder der Leiche. Damit ist deren gute Laune - wie die Menschen ein Stockwerk unter ihnen sie noch besitzen - plötzlich gegen den Nullpunkt gesunken. Miss Niobe findet Sir Malcolm, den Ehemann der Gastgeberin tot auf dem Boden liegend vor. Und das zur zehnten Stunde, da Lady Sedgwick eine Séance anberaumt. Einem Unbekannten gelang es, ein Artefakt zu stehlen, welches sich Miss Niobe und Lord Bailey ansehen wollten. Im Besitz des toten Sir Malcolm befand sich ein geheimnisvolles ein Geheimnis verbergendes Stück, das bis weit in die Vergangenheit des fernen Indiens reicht. Es findet sich kein Hinweis darauf, wer der Täter ist. Mit Hilfe der Nekrotypie schaffen es die beiden jedoch, Bilder zu sehen, die sich im Gedächtnis des Verstorbenen festgesetzt hatten. Miss Niobe erkennt, feindliche Agenten und eine rätselhafte Loge wollen das Artefakt in ihren Besitz bringen und seine Kräfte entfesseln. Es beginnt eine Jagd, die Indiens verfluchte Kristallsteine zum Ziel hat. Dem nicht näher beschriebenen Tempel, dem Miss Niobe und Lord Bailey angehören, stehen interessante Zeiten bevor. Dabei treffen sie auf eine geheime Sektion der britischen Armee mit ihrem Captain Royle, die nur mit Sonderaufgaben betraut wird. Doch da sind noch weitere Personen, die die Weltbühne betreten. Etwa der niederländische Spezialist Frans Ovenhart, im Dienste dunkler Mächte. Und jede der neuen Personen verfügt über spezielle Dinge. Entweder sind es seltsame Eigenschaften oder ungewöhnliche Waffen. Ebenbürtige Gegner für Niobe und Bailey.
Unter Führung von Oliver Plaschka hat sich mit Matthias Mösch und Alexander Flory ein Triumvirat gefunden, das sich bestens darauf versteht, einen außergewöhnlichen Roman zu schreiben. Den drei Autoren gelingt es, mit den Personen zu spielen, sie in Situationen zu bringen, die von gefährlich bis geheimnisvoll alles bieten. Wenn ich die Geschichte richtig beurteile, hat jeder der drei Autoren seinen ganz speziellen Teil zum Roman beigetragen. So unterscheiden sich die Schreibweisen in den Kapiteln voneinander. Oliver Plaschka und seine beiden Ko-Autoren stellen den Kristallpalast in den Mittelpunkt, nicht nur ab dem Augenblick, da er für die Weltausstellung gebaut wird. Höchst spannend wirkt sich der Zeitsprung aus, der einen Blick in die Tagebücher der Arakan-Expedition erlaubt. Die Expedition war dem Mythos eines verborgenen Schatzes von unermesslichem Wert auf der Spur und verfiel dabei dem Wahnsinn. Allerdings erschließt sich so schnell nicht, was es mit der Expedition auf sich hat. Die Ungewissheit in vielen Dingen, die im Buch beschrieben werden und in der Frage, wie es nun weitergehen soll, zerrt an den Nerven der Leserschaft. In den Handlungsträgern Miss Niobe, Lord Bailey, Frans Ovenhart und Captain Royle treffen interessante Figuren aufeinander. Dabei ist nicht ganz klar, wessen Interessen sie nun wirklich vertreten. Ihre Organisationen bleiben erfreulich undurchsichtig und versprechen weitere Abenteuer. Der Steampunk-Roman bietet nur wenig Magie - oder etwas in der Art -, die jedoch gezielt und in eher homöopathischen Dosen eingesetzt wird. Damit wirkt die Welt, obwohl nicht die unsere, vertraut und nicht übertrieben abgehoben. Der Roman kann als atmosphärischer Abenteuerroman bezeichnet werden, der auch über die Genregrenzen den Leser begeistert. Die gebotene Phantastik ist recht individuell. Obwohl von drei Autoren mit eigener Schreibweise geschrieben, ist es ein überzeugendes Werk geworden.
Ein phantastischer Roman, der nicht mehr so massiv mit Zitaten und Anspielungen arbeitet, wie etwa die Romane Fairwater oder Die Magier von Montparnasse. Dennoch bleibt noch einiges zwischen den Zeilen versteckt, das es zu finden gilt. Drei Autoren, drei Handlungsstränge, ein Roman und fünf von fünf möglichen Sternen.