Serie / Zyklus: H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens Band 16 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Der Österreicher Andreas Gruber zählt zu den bekanntesten deutschsprachigen Kurzgeschichtenautoren und wurde für seine SF-Kurzgeschichten bereits für diverse Phantastikpreise nominiert. Sein Werk ist thematisch sehr breit angelegt. Neben einer Sammlung mit SF-Kurzgeschichten, die unter dem Titel „Die letzte Fahrt der Enora Time“ verlegt wurde, erschien vor kurzem seine Storysammlung „Der fünfte Erzengel“ in neu überarbeiteter Form beim SHAYOL-Verlag. Diese erste Kurzgeschichtensammlung ist von der Thematik her dem vorliegenden Roman zuzuordnen. Aber auch im Krimi-Genre ist er zuhause, was er mit dem Episodenroman „Jakob Rubinstein“ bewies.
Als Autor ist Andreas Gruber in Teilzeit tätig, d.h. er geht vormittags einem ganz regulärem Bürojob nach und konzentriert sich dann in der zweiten Hälfte des Tages auf seine Schriftstellerei. Seine Kurzgeschichten werden bereits seit einigen Jahren in diversen Kleinverlagen veröffentlicht und mittlerweile zählt er zu den bekannteren, duetschsprachigen Kurzgeschichtenautoren des phantastischen Genres.
Mit „Der Judas-Schrein“ legt er in der Reihe H.P. Lovecrafs Bibliothek des Schreckens des Festa-Verlags nun seinen ersten Roman vor, der gleich der umfangreichste dieser Reihe geworden ist und sich natürlich thematisch an das von H.P. Lovecraft erschaffene Cthulhu-Universum anlehnt.
Andreas Gruber läst die Handlung seines Romans in dem österreichischen Gebirgsdorf Grein am Gebirge spielen. Alex Körner, selbst in diesem Dorf aufgewachsen und nach dem Tod seiner Eltern, die durch einen Brand umgekommen waren, von seiner in Wien lebenden Tante aufgezogen, wird mit den Ermittlungen in einem Mordfall betreut. In der Dorfdisko wurde die verstümmelte Leiche einer Jugendlichen gefunden.
Was für das Team von Alex Körner wie ein Routinefall beginnt, bedeutet für Alex Körner eine Konfrontation mit seiner Jugend und mit dem Trauma des Todes seiner Eltern, welches er immer noch nicht überwunden hat. Von vornherein sträubt sich alles in ihm an die Stätte seiner Kindheit zurückzukehren. In einem Ort, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, wo man zugezogene misstrauisch beäugt und über die Jahrhunderte hinweg ein Geflecht von gegenseitiger Abhängigkeit und verwandtschaftlichen Beziehungen entwickelt hat.
Obwohl sich alles in Körner gegen diesen Einsatz sträubt, kann er diesen nicht verweigern, da er in seinem letzten Einsatz einen dicken Lapsus begangen hat, durch den er nun stark unter Druck geraten ist. Die Aufklärung des in seinem Heimatdorf begangenen Verbrechens dient nicht zur dazu seinen Fehler wieder gut zu machen, sondern auch, um ihn vorerst aus der Schusslinie der Medien und den internen Untersuchungsbehörde zu bringen.
Andreas Gruber bietet seinen Lesern zu Beginn einen lupenreinen Krimi. Das von Alex Körner geführte Ermittlerteam fällt in das kleine, vom Hochwasser bedrohte Bergdorf ein und nimmt dabei keinerlei Rücksicht auf örtliche Befindlichkeiten. Professionell, für die Dorfbewohner allerdings eher hochnäsig, nehmen sie ihre Ermittlungen auf und versuchen dem Mörder auf die Spur zu kommen. Nach und nach zeigt sich dann, dass dieser Fall vor Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten nur so strotzt. Während die Ermittler den verschiedensten Theorien nachhängen, bekommt der Leser bereits einen Einblick in die wahren Hintergründe und kann sie entsprechend seinem Vorwissen über den Cthulhu-Mythos bereits entsprechend einordnen.
An Dramatik gewinnt die Handlung als das Bergdorf aufgrund des anschwellenden Hochwassers von der Außenwelt abgeschnitten wird und die technischen Hilfsmittel des Ermittlerteams nach und nach versagen. Isoliert von jeglicher Unterstützung sehen sie sich einem Fall gegenüber, der immer weitere Kreise zieht und in dem eine Vielzahl der Dorfbewohner verdächtig erscheint.
Die Stärken von Andreas Grubers Debütroman liegen eindeutig in den Charakterisierungen seiner Handlungsfiguren, allen vorweg Alex Körner. Der Autor nutzt den ihm zur Verfügung stehenden Raum, um seine Figuren ausführlich zu charakterisieren. Sehr ausführlich werden Alex Körners Beziehungen zu seinem Heimatdorf und die zwischen den einzelnen Mitgliedern des Ermittlungsteams ausgearbeitet.
Hinzu kommt, dass Grein im Gebirge mit all seinen Facetten überaus kenntnisreich und detailliert in Szene gesetzt wurde. Es sind die Kleinigkeiten in den Beschreibungen der einzelnen Handlungsorte und den Personenbeschreibungen, die den Roman so glaubwürdig erscheinen lassen. Vor allem zu Beginn erscheint es fast so, als wenn Andreas Gruber selbst in Grein am Gebirge beheimatet wäre.
Die Einarbeitung des Lovecraft-Mythos, eine zwingende Reihenvorgabe, in einen aktuellen Handlungshintergrund gelingt hingegen nur zum Teil. Dies liegt zum einen an den Mythos an sich, der so gar nicht mehr in moderne Erzählstrukturen und Handlungsverläufe hineinpassen will. Wo Lovecraft viel mit Andeutungen und einem universellen Schrecken gearbeitet hat, muss Gruber versuchen diesen in eine modern verfasste Krimihandlung einzubauen. Zum anderen wirken die Erzählungen Lovecrafts auf den heutigen Leser zum Großteil altbacken, sie sind wenig konkret und der heutige Leser ist es einfach gewohnt mit dem Übernatürlichen bzw. dem Schrecken direkt konfrontiert zu werden. So muss also auch Gruber versuchen den Mythos plastisch erscheinen zu lassen, indem er das Ermittlerteam und hier vor allem Körner konkret mit den übernatürlichen Wesen, welches das Dorf und seine Bewohner in seinen Bann hält, konfrontiert.
Die Schwäche dabei ist, dass Gruber über sein Ziel hinausschießt. Die Handlung entwickelt sich zum Ende hin zu einem Showdown zwischen Körner auf der einen und den Dorfbewohnern und dem Wesen auf der anderen Seite. Eine Auseinandersetzung, die Körner, beraubt von allen Teammitgliedern und technischen Möglichkeiten, nur verlieren kann. Am Ende findet sich Körner besiegt und völlig isoliert von allen in einer Gummizelle wieder. Ein Szenario, welches für den kundigen Leser nicht überraschend ist, für den Krimileser hingegen unbefriedigend bleibt und der Reihenvorgabe geschuldet ist.
Dennoch hat Andreas Gruber mit seinem Debütroman unter Beweis gestellt, dass er in der Lage ist seine Geschichte auch über die Länge eines Romans zu erzählen. Er selbst äußerte in einem ausführlichen Chat (zu finden unter www.epilog.de im aktuellen Alien Contact) seine Befriedigung hinsichtlich des Verfassen dieses Romans und hat nun quasi Blut geleckt einen weiteren zu verfassen. Bar jeglicher Reihenvorgaben dürfte ihm aufgrund der hier gezeigten Leistungen ein lesenswertes, eigenständiges Werk gelingen.