Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Protagonist in diesem Roman ist der Astronaut Ijon Tichy, der aus den Sternentagebüchern schon bekannt ist. Eben dieser reist nach Costa Rica, um dort an einem futurologischen Weltkongress teilzunehmen. Schon im Hotel gibt es Probleme. Zuerst verirrt er sich auf eine Tagung nudistischer Literaten (köstliche Passage), und dann stellt Tichy fest, dass das Wasser mit "Begütigungsmittel" durchsetzt war, das die hiesigen Behörden eingesetzt haben um die protestierenden Massen zu beruhigen. Tichy, der nur mit Mühe die psychischen Wirkungen in den Griff bekommt, kann rechtzeitig den Tagungssaal erreichen und den (wiederum köstlichen) Vorträgen lauschen. Doch bald regiert das Chaos. Die Demonstranten rücken gegen das Gebäude vor, und die Polizei setzt Granaten mit "Begütigungsmitteln" ein, die sowohl Demonstranten als auch Polizei gleichermaßen beeinflussen. Costa Rica versinkt im Chaos.
Tichy wird von einem Strudel von Ereignissen erfasst, bei denen er nicht weiß, was wahr ist und was nicht. Die folgenden Beschreibungen sind zum Brüllen komisch. So sieht Tichy z. B. Ratten im Gleichschritt marschieren und er ist erleichtert, dass diese später nur ein normales Kartenspiel und nicht, wie zuerst vermutet, Bridge spielen. Halb so schlimm, meint Tichy.
Am Ende landet Tichy nach einigen Wirrungen in einem zukünftigen New York gegen Ende des 21. Jahrhunderts, und alles scheint wunderbar zu sein. Allen Menschen geht es gut, alle sehen gut aus. Keiner muss mehr lernen - Wissen eignet man sich jetzt z. B. mit Algebra-Zäpfchen an - vier Stück davon und man beherrscht die höhere Mathematik. Alles ist schön und alle sind fröhlich und doch begreift Tichy immer mehr, dass alles nur eine Scheinwelt ist.
Es ist einfach unglaublich, was Lem alles in dieses dünne Buch gepackt hat. Es ist ein wahrer Geysir der Ideen. Aus heutiger Sicht ist vor allem die Zukunftssicht eines Stanislaw Lem des Jahres 1971 interessant. Er persifliert den Fortschrittsglauben jener Zeit mit bissigem Humor und wir wissen heute, wie recht er hatte. In dieser Hinsicht war er ein echter Visionär.
Lems Spiel mit der Sprache ist beeindruckend. Dutzende von Wortschöpfungen prägen das Buch, und auch hier nutzt er diese, um Spitzen gegen die Menschheit und die damalige Zeit zu setzen. Das Buch besteht aus zwei Teilen, wobei die zweite Passage im zukünftigen New York die beeindruckendere ist. Der Autor entlarvt eine Scheinwelt als bösen Leichnam einer Zivilisation. Am Ende des Buches bleibt einem das Lachen im Halse stecken.
Aber das Ende ist auch noch in anderer Hinsicht interessant. Eine Welt, in der nichts ist, was sie zu sein scheint, in der die Menschen ihr Leben träumen und nichts von ihrem wirklichen Leben wissen. Stoffe, die die Tür zur Wirklichkeit aufstoßen und den Protagonisten die Wahrheit hinter allem erkennen lassen. Woher kennen wir das sonst noch? Richtig: Matrix. Dieses Buch stand definitiv Pate, als die Grundidee zu Matrix entstand und das, obwohl 1970 noch niemand an virtuelle Welten dachte.
Ich kann den Roman jedem nur ans Herz legen. Der Roman ist amüsant und nachdenklich. Lems Zukunftsvisionen regen zum Schmunzeln und zum Weinen an - wie das richtige Leben.
Ich gebe dem Buch 9 von 10 Punkten.