Titel: Der falsche Spiegel (2009) Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Einst war Leonid ein Diver, einer jener Helden der virtuellen Welt mit Namen „Die Tiefe“, die ohne Software sich jederzeit innerhalb der virtuellen Welt versetzen und diese auch aus eigenen Willen jederzeit verlassen konnten. Doch die Zeiten haben sich geändert und die Diver haben ihre Fertigkeiten in der Tiefe verloren. Tatsächlich zweifelt man inzwischen die Existenz der Diver an und tut sie als eine Legende der Tiefe ab. Dann jedoch stirbt ein alter Freund Leonids, ebenfalls ein Diver, und alles deutet darauf hin, dass die Ermordung des Avatars in der Tiefe zu einem Tod in der echten Welt führte. Bislang gab es nur Waffen der 2. Kategorie, die lediglich die Hardware beschädigten, doch diese neue Entwicklung kann die idealisierte Welt der Tiefe für immer verändern und entzaubern. Leonid findet heraus, dass sein Freund mit Hackern in einen Rechner eingedrungen war. Was immer er gefunden haben mochte: Es war wertvoll genug, dafür umgebracht zu werden. Leonid entschließt sich, noch einmal in der Tiefe aufs Ganze zu gehen und wieder führt ihn der Weg ins Labyrinth, eine Kampfarena auf Doom-Niveau, das er durchlaufen muss, um an die Informationen zu kommen, die sein Freund versteckt hatte.
Die Fortsetzung setzt ein paar Jahre nach den Ereignisse von „Labyrinth der Spiegel“ ein. Leonid ist eine gescheiterte Existenz und seine Beziehung zu seiner Freundin Vika hat sich in letzter Zeit stark abgekühlt. Erst diese Sache mit dem Tod seines Freundes lässt ihn aus seiner Lethargie aufschrecken und tatsächlich gelingt es ihm, an seine alten Tage anzuknüpfen. Sergej Lukianenko schreibt wie immer: Seine Handlung orientiert sich sehr eng am einzigen Protagonisten, der den Roman dominiert, und mit klaren Worten sowie einem sehr gefälligen Stil erzählt der Russe seine Geschichte. Dieses Mal jedoch ist das Festhalten an den alten, bewährten Stilmitteln ein gewisser Nachteil, denn besonders originell ist die Geschichte leider nicht. Man könnte fast von einer Wiederholung des Romans „Labyrinth der Spiegel“ sprechen, denn Band 1 und 2 der Duologie ähneln sich sehr stark. Man hätte sich gewünscht, dass der Autor einer zweiten Person die Rolle der Hauptfigur gegeben hätte, denn aus einem neuen Blickwinkel hätte man dem Thema durchaus etwas Neues abgewinnen können. Vielleicht hätte Lukianenko mal eine Frau als Protagonistin nehmen können - das wäre zur Abwechslung mal was Neues gewesen. Sehr schwach war denn die Rückkehr in das Labyrinth. Wieder muss der Held, auch wenn diesmal in einer Gruppe, durch die Kampfarena, um die gestohlenen Daten zu bekommen. Ich finde, Sergej Lukianenko hat es sich zu leicht gemacht und nicht gründlich genug über das Thema nachgedacht. Zumindest ist eine Wiederholung des Labyrinth-Themas die plumpeste Lösung. Dabei hätte es durchaus den einen oder anderen Ansatz für interessante Lösungen gegeben. Man hätte z. B. mehr aus dem Tempel der Diver machen und dort einen großen Teil der Handlung stattfinden lassen können.Insgesamt ein durchaus unterhaltsamer Roman, der aber die Erwartungen nicht erfüllt.
6 von 10 Punkten.