Seminararbeit im Fach Medien von Lena Braun |
Vergleich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kameraführungen und deren Wirkung
Interessant ist auch der Vergleich der Fabrikarbeiter unter Berücksichtigung der verschiedenen Kameraeinstellungen und deren Wirkung. Hierfür werden zwei markante Szenen herausgenommen, anhand derer verglichen wird.
Die Darstellung der Fabrikarbeiter beim allmorgentlichen Eintreten in die Fabrik ist die erste Szene in den Filmen an denen man die unterschiedliche Betrachtung der Fabrikarbeiter anhand der Kameraeinstellung vergleichen kann. So wird in „Metropolis“ der Arbeitsantritt in mehreren Filmszenen dargestellt, während in „Moder Times“ nur eine einzige Einstellung den Arbeitsbeginn zeigt.
Durch eine Totale wird bei „Metropolis“ der Arbeitsantritt der einen und das Ende der anderen Schicht gezeigt. Diese Einstellung wirkt auf den Betrachter so, als wäre er inmitten der Arbeiter. Die sehr zentrierte Darstellung des Eingangs verstärkt die Wirkung - eine Beklemmung, ja sogar noch mehr - da man durch die strenge statische Bildeinteilung das Gefühl hat, eingesperrt zwischen den Arbeitern zu sein. In der nächsten Sequenz wird die Kameraführung etwas dynamischer, bzw. vermittelt die Platzierung der Kamera eine starke Bewegung im Bild. Die extreme Totale wird nun von der Halbtotalen abgelöst. Jetzt gewinnt der Betrachter den Eindruck, die „Agierenden“ in voller Größe (17) zu sehen.
Aber auch der Eindruck des sich-mitten-darin-befindens wird hier unterstrichen. Das Bild der Massen von Fabrikarbeitern wird hier dadurch dramatisiert, dass die Kamera etwas über den Köpfen der Arbeiter filmt, während diese nach rechts aus dem Bild gehen. Diese Sequenz wirkt auf den Betrachter noch erdrückender.
In der nächsten Filmsequenz wird die Halbtotale wieder von einer weiten, statischen Aufnahme abgelöst. Der Eindruck einer grausam eintönigen, massenhaften Arbeit als Maschine, nicht als Mensch, wird auch durch den Wechsel der zwei Kameraeinstellungen Weit und Halbtotal noch unterstrichen.
Die Fabrikarbeiter sind alle in Reih und Glied aufgestellt und lassen in jeder Einstellung und Sequenz die Köpfe hängen. Der Betrachter bekommt also schon zu Anfang des Filmes das ungute Gefühl, dass die Arbeiter nicht mehr als Menschen, sondern als Maschinen agieren.
Bei „Modern Times“ hingegen wird der Arbeitsbeginn, der Einmarsch in die Firma, dynamisch, ja sogar hektisch, dargestellt. Die Arbeiter strömen in die riesige Halle, in der die Stechuhren stehen. Hier arbeitet der Regisseur mit einer Kameraeinstellung die durch die Vogelperspektive einen weiten Überblick über das Geschehen vermittelt. In der ersten Filmsequenz, noch bevor die Haupthandlung beginnt, sieht man zum Vergleich der Ströme von Arbeitern eine riesige Schafherde die auf den Betrachter zuläuft. Dies ruft beim Zuschauer die Assoziation Stress und Massenabfertigung vor. Die Arbeiter sind wie die Schafe nicht in Reih und Glied aufgestellt, sondern laufen scheinbar wahllos in die Fabrikhalle. Hier wirkt auf den Betrachter die Masse weniger erdrückend als in „Metropolis“, da die Kameraeinstellung nicht das Gefühl vom direkten Dabeisein vermittelt. Der Zuschauer agiert als Beobachter der nicht direkt in die Handlung involviert ist. Trotzdem kann er das hektische Treiben förmlich spüren. Diese Wirkung wird noch damit verstärkt, dass sich nur ein Filmabschnitt mit dem Arbeitsbeginn beschäftigt und nicht, wie in „Metropolis“, durch mehrere Filmabschnitte hindurch behandelt wird.
Die unterschiedliche Darstellung der Arbeiter wird auch in den Szenen während der Arbeit klar.
Bei „Metropolis“ erscheint die Arbeitsstätte wieder in einer Totalen, die Wirkung auf den Betrachter bleibt auch hier erhalten (18). Durch die Froschperspektive wird ein Gefühl der Angst und Hilflosigkeit hervorgerufen. Die klar geführten Linien der Maschine unterstützten dieses Gefühl.
Bei „Modern Times“ hingegen wirken die Maschinen dynamischer gefilmt. Sie werden aus der Vogelperspektive gezeigt und in Halbnah (19) gefilmt. Der Zuschauer erhält den Eindruck als Außenstehender in die Handlung des Filmes miteinbezogen zu sein, wohingegen in „Metropolis“ der Zuschauer in die Handlung direkt involviert ist.
In „Metropolis“ wird mit dem Wechsel von Totale und Halbtotale und der Positionierung der Kamera auf Augenhöhe die Tätigkeit der Fabrikarbeiter veranschaulicht (20). Durch diese Einstellung werden für den Betrachter die Arbeiter fast eins mit den Maschinen. Somit erhält der Betrachter den Eindruck, der Mensch sei schon zum größten Teil ein Bestandteil der Maschine geworden.
Die Kamerapositionierung bei „Modern Times“ ist auch in der Ansicht der Arbeitenden schwungvoller. Die Kamera filmt wiederum schräg von oben. Erneut ist der Zuschauer nur Beobachter.
Im Großen und Ganzen lässt sich feststellen, dass beide Regisseure ihre jeweils eigenen Stilmittel haben und sie ihrer Wirkung nach entsprechend immer wieder einsetzten. Dabei bleibt die Anzahl dieser Mittel auf ein Minimum begrenzt, was die eigentliche Wirkung und den Charakter des Filmes erzeugt.
Resümee
Nachdem ich mich nun so intensiv und lange Zeit mit dem Thema und den beiden Filmen beschäftigt habe, kann ich sagen, dass beide Filme, obwohl sie doch unterschiedlich sind, zu meinen favorisierten Filmen zählen. Besonders interessant an der Arbeit fand ich, mehr über die beiden Regisseure zu erfahren. Wirklich erstaunt war ich, dass Fritz Lang im Vergleich zu Chaplin in Deutschland so unbekannt ist, wohingegen er in Frankreich schon seit Jahrzehnten eine viel größere Popularität genießt. Auch die berufliche Beziehung zwischen Lang und Brecht, wenn auch nicht sehr erfolgreich, ist kaum bekannt, was ich besonders schade finde, da dies eine sehr interessante Arbeitsbeziehung war. Ganz anders als bei Chaplin und Brecht, deren Begeisterung für den anderen doch sehr im Ungleichgewicht war. Auf der einen Seite Brecht, der Chaplin und seine Arbeit verehrte, auf der anderen Chaplin, der Brecht sicherlich interessant fand, aber, zu meiner Überraschung, eine wahrscheinlich ganz andere Auffassung mancher Dinge hatte.
Mit diesem Hintergrundwissen konnte ich die Filme noch einmal mit ganz anderen Augen sehen. So war es ganz neu für mich, dass der „Tramp“ in „Modern Times“ nicht nur von Chaplin gespielt wurde, sonder auch ein Stück Chaplin selber war.
Ebenso bei Lang, der genau wie Chaplin seine ganz eigene Weltanschauung immer wieder in seinen Filmen verarbeitet hat. „Metropolis ist hierfür ein Paradebeispiel. Ein Film, der für viele berühmte Science Fiction Filme als Vorlage diente (Star Wars, Das Fünfte Element). Fritz Lang stellte die Menschen nicht als warmherzige Trottel, sondern nur als Lebewesen dar; er sieht die Welt nicht von der schönen, sondern von der traurigen, nicht gern gesehenen Seite, in der es kein richtiges Happy End gibt.
Abschließend möchte ich sagen, dass mir „Modern Times“ besser gefallen hat, weil er auf lustige Art und Weise an das Thema herangeht und zudem wirkliche Glanzstücke der Stummfilmkomödie enthält. Dadurch fühlte ich mich persönlich mehr zum Nachdenken angeregt, als bei Langs manchmal etwas pathetisch anmutendem Vergleichsstück. Diese persönliche Bemerkung soll allerdings auf keinen Fall zu einem allgemeinen Vergleich auf dieser Ebene anregen, da die wirkliche Größe beider Filme wohl unumstritten ist, diese Wertung aber einen rein subjektiven Charakter trägt.