Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Dieser Kurzgeschichtenband warf bereits seit seiner Ankündigung einen langen Schatten voraus und zwar aus zweierlei Gründen. Der erste ist der Herausgeber Helmuth W. Mommers, der als junger Erwachsener als Autor und Herausgeber einiger Kurzgeschichtensammlungen von sich reden machte, dann über jahrzehnte literarisch gesehen von der Bildfläche verschwunden war und nun seit zwei Jahren als Kurzgeschichtenautor und u.a. Mitherausgeber von NOVA ein beachtenswertes "Comeback" hinlegte. Der zweite liegt in den hier versammelten Autoren, die fast allesamt als Profis oder Semi-Profis schreiben und mit zu den besten gehören, was die deutschsprachige SF-Szene momentan zu bieten hat.
Die Reihe VISIONEN soll gerade diesen Autoren ein neue Möglichkeit zur Veröffentlichung bieten, nachdem die großen Taschenbuchverlage, allen voran Heyne, ihre entsprechenden Publikationen eingestellt haben. Konsequenterweise erhalten die Autoren für ihre schriftstellerische Arbeit auch ein kleines Salär.
Helmuth W. Mommers ist es gelungen eine gute Mischung von bekannten und auch eher unbekannteren, von alt gedienten und neuen Autoren zur Mitarbeit zu bewegen. Namen wie Andreas Eschbach, Karl Michael Armer, Herbert W. Franke, Marcus Hammerschmitt, Rainer Erler und Erik Simon dürften allgemein bekannt sein. Hingegen zählen Ralph Doege, Jan Gardemann, Uwe Hermann, Jörg Isenberg, Robert Kerber und Thorsten Küper zu jenen Autoren, die vorwiegend im semiprofessionellen Bereich veröffentlicht haben und daher nicht jedem bekannt sein dürften.
Die Kurzgeschichten beruhen nicht auf thematische Vorgaben des Herausgebers und so decken sie eine große Bandbreite der in der SF üblichen Themen ab. Auffallend ist jedoch, dass mehrere Stories auf eine gewisse Komik setzen, während andere eine eher negativ geprägte Zukunft zu Grunde legen. Beides findet sich in vergleichbaren Sammlungen wie NOVA oder EINE TRILLION EURO wieder, so dass gerade die hiervon abweichenden Kurzgeschichten am interessantesten für den Leser erscheinen. Was allerdings noch nichts über ihre schriftstellerische Qualität oder inhaltliche Ausarbeitung aussagt.
Auf alle 17 Kurzgeschichten möchte ich hier nicht eingehen, sondern lediglich diejenigen kurz vorstellen, die für mich die Highlights der Sammlung darstellen.
Ein solches ist gleich der erste Beitrag, der von Andreas Eschbach stammt. Mit leichter Feder und ebensolchem Stil erzählt er in "Quantenmüll" wie die Menschheit ihr globales Entsorgungsproblem gelöst hat. Jedenfalls ging sie jahrzehntelang davon aus, bis es wie ein Bumerang zu ihr zurückkehrte. Zum Einstieg in diesen Erzählungenband gleich ein lesenswerter Beitrag.
Die Titelstory "Der Atem Gottes" stammt von Thorsten Küper, der bereits mit einem seiner Werke für den diesjährigen Deutschen Science Fiction Preis nominiert war und den Lesern von NOVA bekannt sein dürfte. Ein skrupelloser Wissenschaftler versucht seine Erfindung an den meist bietenden zu verkaufen und kennt dabei keine Grenzen. Nur zu dumm, dass seine Pläne rechtzeitig aufgedeckt wurden und nicht alle seiner Kollegen dem von ihm geplanten Unfalltod starben. Wobei der Virus, den er so exklusiv verkaufen wollte, bereits seine unheilvolle Aufgabe begonnen hat und den wahren, christlichen Glauben zurück auf die Erde brachte. Ketzer wie der Held der Story haben allerdings keinen Platz mehr in dieser.
Die aus meiner Sicht ungewöhnlichste Story stammt von Ralph Doege. "Alter Ego" ist eine Zeitreisegeschichte. Ein älteres Ich reist im Rahmen eines Experimentes an einen vrmeindlichen Wendepunkt in seinem Leben und versucht sein damaliges Ich zu überzeugen, dass er seinen Mut zusammennimmt und ein junges Mädchen küßt, so dass aufgrund der entstehenden Beziehung sich die Zukunft ändert. Das ganze gerät aber ein wenig außer Kontrolle und endet anders als geplant. Die Grundhandlung bietet für den erfahrenen SF-Leser nicht sehr viel neues. Formuliert wurde sie aber in einem überaus philosophischen Stil, der es durchaus notwendig macht die Story gewissenhaft zu lesen. Die eingefügten Zitate, die ebenfalls überwiegend einen philosophischen Hintergrund haben, machen es dem Leser nicht einfacher diese Story mal eben auf den Weg zur Arbeit zu lesen. Sicherlich nicht jedermanns Sache, aber warum soll lesen mal nicht ein wenig anstrengender sein?
Andreas Grubers Kurzgeschichte "Parkers letzter Auftrag" versetzt den Leser in eine Zukunft, in der es dank der Nanotechnologie möglich ist ein langes und gesundes Leben zu führen. Wohlhabende Menschen können sich spezialisierte Nanomaschinen in ihren Blutkreislauf injizieren lassen und diese beseitigen dann Zellschäden, Verstopfungen der Adern usw.. Probleme mit dieser Methode hat es anscheinend noch nicht gegeben, jedenfalls sind der Firma keine nachzuweisen. Dank hervoragender Lobbyarbeit und entsprechender Gesetze genießt Nano-Components absolut rechtliche Unantastbarkeit. Jedenfalls solange bis jemand auf die Idee kommt, wie man das System unterläuft und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen kann. Eine geradlinig verfasste Story in der es ein wenig brutaler zur Sache geht. Von der Idee her aber gut ausgearbeitet.
Karl Michael Armer beschreibt in "Die Asche des Paradieses" eine Welt, die durch den Glaubenskrieg fast völlig vernichtet wurde. Nur noch Reste Europas, beherrscht von den christlichen Fanatikern des Vatikans, verfügen über eine halbwegs intakte Zivilisation wie wir sie heute besitzen. Der ständige Partisanenkrieg hat beide Seiten ausgelaugt und völlig erschöpft. Oberst Sikorski ist jemand, der dem ganzen ein Ende setzen will und dabei auch sein eigenes Leben und das seiner Kameraden aufs Spiel setzt. Die Story zeigt deutlich auf, wo wir hingelangen können, wenn der jetzige Konflikt im mittleren Osten ausufert und sich verfestigt. Armer findet eine sehr klare Sprache und beschönigt hier rein gar nichts. Eine intensiv verfaßte Story.
Es lohnt sich nicht nur diese, sondern auch weitere Kurzgeschichten aus dieser Sammlung zu lesen. Helmuth W. Mommers ist seinen selbst gestellten Ansprüchen voll gerecht geworden.