Titel: DECLARE - Auf dem Berg der Engel Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Der amerikanische Autor Tim Powers dürfte den meisten Lesern noch als Fantasy-Autor bekannt sein. Einige seiner Werke wurden vor Jahren innerhalb der Fantasy-Reihe des Heyne-Verlags veröffentlicht, darunter auch sein bekanntestes Werk, "The Anubis Gates" (dt. "Die Tore zu Anubis Reich"), für das er zurecht den PHILIP K. DICK MEMORIAL AWARD gewann. Im letzten Jahr wurde dieser Roman bei Heyne neu aufgelegt.
Ein aktuelles Interview mit Tim Powers findet sich in der zweiten Ausgabe von "OMEN - Das Horror-Journal", welches ebenfalls im Festa-Verlag erschien.
"DECLARE - Auf dem Berg der Engel" ist mit den bisher auf deutsch erschienen Werken Tim Powers' nicht zu vergleichen, denn es handelt sich hier eher um einen Spionagethriller denn um ein Fantasy-Werk.
Die Handlung beginnt im Januar 1963 und somit zur Zeit des Kalten Krieges. Andrew Hale, der bis vor 14 Jahren als Agent für einen der Geheimdienste seiner Majestät tätig war, lebt und arbeitet seitdem als Dozent in Oxford. Über die Jahre hinweg hat er immer mehr mit seinem früheren ereignisreichen Agentenleben abgeschlossen, wartet aber dennoch auf seine Reaktivierung für den aktiven Dienst. Diese erscheint dann auch in Gestalt von James Theodora, dem Leiter einer überaus geheimen Abteilung des britischen Auslandsgeheimdienstes. Andrew Hale wird aufgrund seiner ganz speziellen Fähigkeiten und seiner Herkunft, über die er so gut wie gar nichts weiß, für einen bestimmten Auftrag in den aktiven Dienst zurückgeholt. Die Operation DECLARE soll nun endlich abgeschlossen werden.
In Rückblenden erfährt der Leser dann von Hales ehemaligem Agentenleben. Vor allem, wie er bereits als Kind mit Theodora zusammentraf, seine schulische Ausbildung und Rekrutierung für den britischen Geheimdienst, der ihn während der deutschen Besetzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg nach Paris entsandte, um dort einen kommunistischen Geheimdienstring zu unterwandern. Hier arbeitete er als junger Mann mit der spanischen Bürgerkriegswaisen Elena, einer überzeugten Kommunistin, zusammen. Als die Russen ihre Spionageringe in Paris auffliegen ließen, entkamen beide gerade noch den Häschern der Gestapo. Während Elena einem Rückkehrruf nach Moskau Folge leistete, der für die meisten Agenten gleichzusetzen war mit ihrer Erschießung, kehrte Hale nach London zurück. Dort beschäftigte er sich über Monate hinweg mit Aktenstudien, die alle im weitesten Sinne etwas mit seinem nächsten Auftrag zu tun hatten. Dieser führt ihn dann ins Nachkriegs-Berlin, wo er Elena wieder begegnet, und letztlich an die türkisch-sowjetische Grenze auf den Berg Ararat.
Handelt es sich bis hierhin noch um einen reinen Spionagethriller, in dem sich das eine oder andere phantastische Einsprengsel wiederfand, dreht Tim Powers nun richtig auf. Denn bei dem Ararat handelt es sich um dem "Berg der Engel", den Wohnsitz von Dschinns, von gefallenen Engeln. Bereits 1948 leitete Andrew Hale eine Expedition, die den Ararat zum Ziel hatte, und mit dem Tod eines ganzen britischen Einsatzteams endete. Nun, Jahre später, rüsten die Russen, die ebenfalls über die Wesen auf dem Ararat informiert sind und eines dieser Wesen zum Wohle der Sowjetrepublik innerhalb derer Grenzen gefangen halten, eine weitere Expetition aus. An dieser soll Andrew Hale unbedingt teilnehmen, um so seinen Auftrag endlich erfüllen zu können.
Die Handlung ist überaus komplex angelegt, sodass sie hier nur angerissen werden kann und soll. Wer ein Faible für Spionagethriller von John le Carré hat, wird hier bestens bedient. In seinem Nachwort geht Tim Powers ausführlich auf seine Bewunderung für diesen Autor und sein Werk ein. Weiterhin gibt er seinen Lesern einen Einblick, wie er auf die Idee zu diesem Roman gekommen ist. Diese rankt sich um Kim Philby, der zu den bekanntesten Doppelagenten des Kalten Krieges zählte und über dessen Leben es reichlich Literatur gibt. Einige Ungereimtheiten in Philbys Leben nutzt Powers aus, um seinen phantastischen Roman drum herum zu verfassen.
Die Mischung zwischen Spionagethriller und Phantastikroman funktioniert bei Powers. Die Handlungsfäden sind stimmig miteinander verwoben und spannend erzählt. Als Erzählperspektive wählt Powers fast ausschließlich Andrew Hale aus, wobei er gerade zu Beginn zwischen Rückblenden und Gegenwartsschilderung ständig wechselt. So erschließt sich dem Leser nach und nach das Gesamtbild des Romans.
Etwas übertrieben wirken vor allem die Thrillerpassagen, wobei mir hier die Vergleiche fehlen. Jedenfalls wimmelt es nur so von Intrigen, Attacken, Gegenangriffen, umgedrehten Agenten und was einen Spionagethriller sonst noch so ausmacht. Powers hat hier ein wahres Füllhorn von Spionageelementen in seinen Roman eingebaut, und der Leser muss wirklich ganz genau hinschauen, wenn er den Überblick behalten möchte.
Mit der Veröffentlichung dieses Romans hat Frank Festa einmal mehr verlegerischen Mut bewiesen, denn "DECLARE - Auf dem Berg der Engel" erschien außerhalb einer der Verlagsreihen und musste sich somit ohne feste Abonnenten verkaufen. Es bleibt dem rührigen Verleger zu wünschen, dass er mit diesem Werk keinen wirtschaftlichen Schiffbruch erlitten hat, damit er auch weiterhin solch lesenswerte Werke präsentiert.