Titel: Das Tier vom Vaccarés Eine Besprechung / Rezension von Max Pechmann |
Die Edition Zwielicht im Waldgut Verlag ist eine neue, engagierte Edition, in der sowohl Klassiker der phantastischen Literatur als auch Neuentdeckungen veröffentlicht werden. Als gebundene Ausgaben mit Lesebändchen sind sie auf jeden Fall ein Fest für jeden Bibliophilen, aber auch alle anderen Liebhaber der phantastischen Literatur werden hier das ein oder andere Schmankerl ausfindig machen.
So zum Beispiel die Novelle "Das Tier vom Vaccarés" des in Vergessenheit geratenen provenzalischen Dichters und Schriftstellers Joseph d'Arbaud (1876-1950). Diese 1926 erschienene Geschichte spielt im 14. Jahrhundert und erzählt über seltsame Erlebnisse des Viehhüters Jacques Roubaud. Dieser lebt einsam in einer Hütte und bemerkt eines Tages, dass in der Gegend, in der seine Rinder weiden, ein eigenartiges Wesen - halb Mensch, halb Tier - herumschleicht. Einerseits getrieben von Neugierde, andererseits voller Furcht, versucht Roubaud, das Geheimnis dieses Tieres zu ergründen.
Joseph d'Arbaud, der selbst einige Zeit lang als Viehhüter, als so genannter Gardian, in der Provence gearbeitet hat, verfasste eine klassisch anmutende Schauergeschichte, in der es zum einen um das Hereinbrechen des Übernatürlichen in das alltägliche Leben geht, zum anderen um den Konflikt zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen, was sein Werk im Grunde genommen sehr aktuell erscheinen lässt. Denn Roubaud ist durch die Existenz dieses außergewöhnlichen Lebewesens wie vor den Kopf gestoßen, widerspricht es doch völlig der christlichen Lehre. So hat er Angst, sein Seelenheil zu verlieren bzw. auch Angst davor, vor der Inquisition in Ungnade zu fallen. Zugleich aber setzt er sich keine Schranken, sondern versucht, diese durch einen gewissen Entdeckergeist zu durchbrechen, was Roubaud zu einem Prototypen des modernen Menschen werden lässt.
All das erzählt d'Arbaud mit einer großartigen Dichte, weswegen es nicht gelingt, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Zusammen mit einer wunderbaren Sprache wird "Das Tier vom Vaccarés" zu einem wahren Genuss. Es ist mehr als nur erfreulich, dass es neben dem Fließbandgetue der Großverlage noch Abenteurer gibt, die es wagen, längst vergessene Werke der phantastischen Literatur zu veröffentlichen. In diesem Sinne viel Spaß bei weiteren Entdeckungsreisen.