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Titel: Das Spiel des Schicksals Eine Besprechung / Rezension von Ida Eisele |
„Das Spiel des Schicksals“ erzählt von der Waise Cat, die mit ihrer Tante Bel vor kurzem nach London zog. Kurz vor Ferienbeginn begegnet Cat einem seltsamen, gehetzten Mann, der sie um Hilfe bittet. Sie weigert sich und verrät seinen Verfolgern, wohin er geflohen ist, in der Annahme, es handle sich um ein in ihren Augen kindisches Rollenspiel.
Dennoch folgt sie ihnen und trifft in einem Zimmer über einer Kneipe auf vier Personen, die sich als die Königinnen der Münzen und Kelche sowie die Könige der Stäbe und Schwerter erweisen. Von ihnen wird sie zu einer Lotterie im Temple House eingeladen, zu der sie in der Hoffnung auf eine kostenlose Mahlzeit erscheint.
Dort lernt sie Toby kennen, der ihr schließlich erklärt, dass sie es nicht mit einer abartigen Rollenspielgruppe zu tun hat, sondern mit dem Spiel der Trümpfe, das an Tarotkarten angelehnt seit unerdenklichen Zeiten in einer mysteriösen Parallelwelt namens Arkanum ausgetragen wird.
Als sie sich kurzentschlossen selbst in diese Parallelwelt begibt, findet Cat überraschend heraus, dass auch ihre angeblich bei einem Verkehrsunfall getöteten Eltern etwas mit dem Spiel zu tun gehabt haben und deswegen erschossen worden sind.
Ihr Ziel ist von da an herauszufinden, wer der Mörder ist.
Gemeinsam mit Toby, der wie sie ein Narr oder Joker im Spiel ist, macht sie sich daran, mehr über das Arkanum herauszufinden und gewinnt schließlich auch die Unterstützung eines dritten Jokers, eines Mädchens namens Flora. Sie zeigt ihnen einen zufällig entdeckten Weg in die Gruft unter dem Temple House, in der sich der Gehängte befindet. Dieser trägt ihnen auf, den vierten Joker zu finden und die Asse der Münzen, Kelche, Stäbe und Schwerter zusammenzutragen, um ihn zu befreien und die Herrschaft der Könige über das Spiel zu beenden. Gemeinsam machen die vier Jugendlichen sich auf den Weg – jeder aus seinen ganz eigenen Motiven.
Als Hauptcharakter bleibt Cat leider sehr lange schwer zu fassen. Ihr einziges Hobby, von dem der Leser erfährt, ist abends in der Circle Line herumzufahren, um sich die Stadt vom Leib zu halten. Sonst wird Cat ausschließlich über das charakterisiert, was sie nicht mag: Man erfährt, dass sie mit Fantasy nichts anfangen kann, sich nicht für Technik begeistert und in der Schule nur so viel tut, dass sie nicht weiter auffällt. Ihre Tante Bel ist die einzige, die sie an sich heran lässt, zu allen anderen wahrt sie eine kühle Distanz – und alle anderen schließt hier den Leser bedauerlicherweise mit ein, obwohl Cat durchaus in sich stimmig und gar nicht besonders unsympathisch wirkt.
Das Buch besteht jedoch über einen langen Zeitraum hinweg hauptsächlich aus Erklärungen zu den Regeln des Spiels der Trümpfe – auf die ich an späterer Stelle noch eingehen werde. Cats Gefühle, wenn sie herausfindet, dass der Mann, der sie kurz zuvor um Hilfe gebeten hatte, mit mehreren Messerstichen ermordet wurde, oder dass ihre Tante sie über die Todesursache ihrer Eltern belogen hat, finden kaum Erwähnung, sodass man nur schwer mit ihr mitfühlen kann. Diese Gefühle sind jedoch der einzige Grund, aus dem sie sich weiter auf das Spiel einzulassen scheint – darum wirkt ihre Handlungsweise auch bisweilen unlogisch, vor allem wenn sie gerade noch denkt, dass sie sich aus der ganzen Sache heraushalten sollte, und schon im nächsten Augenblick zum Temple House geht.
Die Nebencharaktere sind dagegen alle mit einigen, kurzen Sätzen so beschrieben, dass man ein lebendiges Bild vor Augen hat. Gerade Toby, Flora und Blaine, die drei anderen Joker, tragen trotz ihrer Jugend Geheimnisse mit sich herum, haben eigene Macken und verhalten sich lobenswerterweise nicht wie Puppen ohne Eigenleben, die nur dazu dienen, die Handlung voranzubringen.
Worunter „Das Spiel des Schicksals“ allerdings am meisten leidet, sind die ausführlichen, sich wiederholenden und dennoch verwirrenden Erklärungen zu den Spielregeln, welche den größten Teil des Textes einzunehmen scheinen. Action und Gefühle bleiben da auf der Strecke, ohne dass dem Leser wirklich klar gemacht wird, wie das Spiel funktioniert und vor allem warum Menschen sich überhaupt darauf einlassen. Es bleiben viele Unklarheiten bestehen – was zugegebenermaßen auch zur mysteriösen Atmosphäre beiträgt und darum nur bedingt als Negativpunkt gewertet werden kann - aber stellenweise sind die Erläuterungen so verwirrend, dass einem die Lust am Lesen vergeht.
Erst sehr spät findet Cat ein Ziel, das sie und die anderen Joker zu konkreten, geplanten Handlungen verleitet – dann aber nimmt die Geschichte Fahrt auf, liest sich interessant und wirkt mit ihrem offenen – und in meinen Augen etwas einfachen – Ende wie die Vorgeschichte zu etwas Größerem.
Alle wirklich spannenden Fragestellungen (Wer hat Cats Eltern ermordet? Was weiß ihre Tante Bel wirklich darüber? Wer sind die Könige? Was sucht und wer ist Blaine?) bleiben offen und werden hoffentlich in dem angekündigten zweiten Band geklärt.
Ob es sich allerdings lohnt, für diesen kurzen, spannenden und Lust auf mehr machenden Schluss die Mühe auf sich zu nehmen, die ersten drei Viertel des Buches zu lesen, ist eine nur schwer zu beantwortende Frage. Zur Unterhaltung an regnerischen Abenden eignet sich „Das Spiel des Schicksals“ durchaus, solange man sich keine Offenbarung erhofft. Allerdings ist zu bezweifeln, dass das Jugendbuch die angepeilte Altersgruppe mit seinen langen, trockenen Erläuterungen wirklich erreicht.