Titel: Das Spiel Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die junge Bibliothekarin Jane Kerry führt ein geruhsames Leben als Single. Sie hat keine großen Interessen, und weil die Frau Mitte zwanzig ein wenig mollig ist, findet sie sich selbst nicht sonderlich interessant. Sicher, ein Leben ist ein wenig einsam, so ohne festen Partner, aber immerhin ohne viel Aufregung und dadurch sehr angenehm. Eines Tages liegt auf ihrem Schreibtisch ein Briefumschlag vom MOG - Master of Games. Mit dem inliegenden 50-Dollar-Schein wird sie aufgefordert, an einem Spiel teilzunehmen. Das Prinzip eines Katz-und-Maus-Spiels ist nicht neu. Ob es nun ein heimlicher Verehrer ist, ein verschrobener Arbeitskollege oder ein Bekannter mit seltsamem Humor. Jane Kerry beschließt erst einmal, sich zu beteiligen, weil ihr das Interesse des Unbekannten schmeichelt. Sie soll einen bestimmten Roman finden, der einen weiteren Hinweis und einhundert Dollar enthält. Bei einer weiteren Aufgabe lernt sie den sympathischen und gut aussehenden Brace Paxton kennen, der ihr auch mit der Aufgabe hilft. Jane ist nicht nur über Brace erfreut, sondern auch über das Geld, dass sich jedes Mal verdoppelt. Ein wenig mulmig ist ihr schon, denn der MOG hinterlässt sogar in ihrer Wohnung Hinweise auf die nächste Aufgabe. Ausser den Aufgaben hinterlässt er keine Spuren, die den kleinsten Hinweis auf ihn geben. Was als ein ungewöhnliches Spiel beginnt, ändert seinen Charakter ständig und wird in der Aufgabenstellung immer gewagter. Da sich bislang nie etwas schlimmes ereignete, macht sie weiter, obwohl Brace, inzwischen zum Freund avanciert, sie eindringlich davor warnt und sie bittet, das Spiel zu beenden. Die Steigerung der Aufgaben und der damit verbundenen Gefahren erfolgt unmerklich. Einer Sucht nicht unähnlich verfällt Jane dem Spiel und will endlich wissen, wer sich hinter dem geheimnisvollen MOG versteckt. Und, hier wird sie leicht paranoid, ist der begehrenswerte Brace wirklich der, der er vorgibt zu sein? Es gibt kein zurück. Je tiefer sich Jane in das Spiel verstrickt, desto gefährlicher werden die Aufgaben. Und dann kommt der Punkt ohne Wiederkehr. Das Spiel entzieht sich ihrer Kontrolle. Ihr Spielleiter scheint ein gefährlicher Gegner zu sein, denn hält sie sich nicht an die Regeln, riskiert sie die Rache des MOG. Im laufe der Aufgaben hat sich Jane nicht immer Gesetzeskonform verhalten, so dass sie aus diesem Grund die Polizei nicht einschaltet. Der andere Punkt ist viel einfacher, wer würde ihr Glauben schenken?
Jane Kerry ist eine sehr sympathisch dargestellte Heldin, mit der man sich sehr leicht beim Lösen der Aufgaben identifiziert und mitfiebert. Der Leser leidet und hofft, freut und trauert mit ihr mit jeder Faser seines Seins. Die Beschreibung, wie das Spiel auf sie wirkt, was ihre Beweggründe sind, daran teilzunehmen, und letztlich der Punkt, an dem sie den Ausstieg verpasst, sind unglaublich wirklichkeitsgetreu dargestellt.
Vorab sei gesagt, die Reihe Heyne Hardcore ist nichts für schwache Nerven und das Katz-und-Maus-Spiel, dass Richard Laymon hier aufzieht, schon gar nicht. Die Hardcore Reihe wird vom Verlag nicht stark beworben, zeichnet sie sich doch durch viel mehr Härte und Gewalt aus als übliche Spannungsromane und Thriller. Das Buch fängt geruhsam an, der Schreibstil ist entsprechend angenehm gehalten, die Abläufe der Erzählung sind betont ausführlich. Was sich einfach und locker anlässt, wird bald zu einem Horrortrip. Zuerst ist man der Meinung: "Warum passiert mir so etwas nicht?", um bald in "Schwein gehabt, dass mir so etwas nicht passiert" umzuschwenken. Dabei geht Richard Laymon nicht gerade sparsam in der Beschreibung mit Blut und Leid um. Das Buch, das einen durchgängigen Spannungsbogen hat, fesselte mich von Anfang an. Schön ist, dass hier nicht die reine Gewalt im Vordergrund steht, sondern dass Richard Laymon, der möglicherweise bei Alfred Hitchcock lernte, ganz bewusst auf den Nervenkitzel aus Grauen und Schrecken setzt. Doch dann wendet sich das Blatt, und plötzlich befinden wir uns in einer Phase, deren Brutalität nicht zu schlagen ist. Gut, die beiden Romane Die Insel und Rache sind wesentlich brutaler, doch besticht Das Spiel mit mehr Psychospielchen, was mir wesentlich besser gefällt. Ich denke, Richard Laymon hat hier ganz bewusst Anleihen bei Psychologen und Therapeuten gesucht und gefunden. Die ganze Art, wie Jane Kerry beschrieben wird, weist auf einen Menschen hin, der einem hohen Suchtpotential ausgesetzt ist. Die Wahrnehmung verläuft ganz anders, und manch eine Stelle in diesem Buch, die unlogisch erscheint, wird plötzlich erklärlich. Alles in Allem jedoch fesselnde Unterhaltung.