Reihe: Das Science Fiction Jahr Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
1986 erschien das erste Jahrbuch der Science Fiction und wurde beständig, Jahr für Jahr, weitergeführt. Von einem relativ dünnen Band entwickelte sich die mittlerweile 14. Ausgabe zu einem größeren Wälzer mit nunmehr knapp 1.000 Seiten. In diesem einzigen und einzigartigen Nachschlagewerk berichtet der Heyne Verlag über Autoren, Bücher, Filme und Hörspiele und was sich sonst noch mit dem Begriff Science Fiction in Verbindung bringen lässt. So sind nicht nur die kommerziellen Märkte im Blickpunkt, sondern auch die Trends und die Trendsetter der nationalen und internationalen Szene. Die erstere, die nationale Szene, ist dabei gar nicht mal so ausschlaggebend. Deutsche Autoren und Filmemacher sind höchst selten auf internationalem Parkett vertreten, wobei sich 'international' vor allem auf den US-amerikanischen Markt bezieht. Dennoch ist es gerade Wolfgang Jeschke als langjährigem Kenner der Szene zu verdanken, dass unser Blick über den Tellerrand nicht beim Löffel endet. Dies kommt vor allem in seinem neuen Vorwort zum Tragen, in dem Wolfgang Jeschke Mutmaßungen über die Entwicklung der SF im neuen Jahrtausend anstellt. Aufhänger war die Vorveranstaltung der EXPO2000, zu der er als Gastredner geladen war. Aus seiner Sicht wird die Zukunft weiterhin von der Science Fiction aus in Vorbetrachtung kommen. Praktisch als Trailer für einen Film, der erst noch kommen wird und dessen Qualität sich erst in zwei, drei Jahren zeigen wird.
Zum Inhalt: Hermann Urbanek ist mit fast 250 Seiten vertreten, auf denen er über die deutsche, amerikanische und britische Szene berichtet. Von einlullenden Zahlen einer Statistik bis hin zu wirklich interessanten Vorstellungen von Büchern, die diesseits und jenseits des Atlantiks erschienen. Seine profunden Kenntnisse über diese Szenen erstaunen mich immer wieder und doch sind sie recht einseitig. Wichtige Einflüsse anderer Staaten fehlen ganz, nur weil sie wenig bis gar nicht in unserer Republik zum Tragen kommen. Diese Einflüsse, z.B. aus der Ex-DDR nach der sogenannten Wende, aus den französischsprachigen Ländern oder gar aus Skandinavien fallen ganz unter den Tisch oder werden nur rudimentär angeschnitten.
Interviews mit AutorInnen und Autoren der Phantastik finden sich ebenfalls in diesem Band. Vor allem Usch Kiausch tut sich besonders hervor, da sie Doris Lessing, Peter Straub und Sharon Shin befragen konnte. Gerade diese sehr unterschiedlichen Interviewpartner machen es reizvoll, alle drei Interviews zu lesen.
Hinzu kommen die für mich besonders wichtigen Preise, die neuerlich vergeben wurden. In Deutschland ist das vor allem der Kurd-Laßwitz-Preis, der leider mit nichts dotiert ist. Ich bin jedoch der Ansicht, dass gerade dieser Preis es ist, der deutschen Zukunftsschaffenden ein wenig Auftrieb gibt. Jedes Jahr aufs Neue werden durch den Treuhänder Udo Klotz die Preise vergeben, die eine relativ kleine 'Jury' ermittelt. Die weiteren internationalen Preise zeigen aber auch immer wieder, dass der Geschmack in Sachen phantastischer Literatur zwischen den Menschen verschiedenster Nationalitäten in gewissen Bereichen übereinstimmt.
Neben den bereits genannten Themen finden sich auch Sekundärartikel über Science Fiction in diesem Buch. "Stasis und Chaos" von Gary K. Wolfe berichtet über die Entwicklungen der Literaturgattung, die wie keine zweite die Welt veränderte. Denkt man an die Anfänge mit Jules Verne, der sehr technikorientiert über U-Boote, Raketen und Ähnliches berichtete, bis hin zu Bruce Sperling und William Gibson knapp 100 Jahre später, die technisch orientiert den Cyberpunk erfanden und viel des heutigen Internets und der Computertechnik vorwegnahmen. Zehn Jahre später überholte sich die Literatur selber. Die Frage bleibt am Ende: Wird das magische Jahr 2000 die Schallgrenze, an der die Welt der Zukunftsliteratur zerbricht, oder wird sie etwa einen ganz neuen und spektakulären Durchbruch erlangen? Die dritte Möglichkeit wird die wahrscheinlichere sein: SF wird allgegenwärtig sein, ob im Fernsehen, Film oder Hörspiel, ganz bestimmt aber in der Werbung; und die Literatur?
Und wer nicht genug hat von Rezensionen findet im Science-Fiction-Jahrbuch weitaus ausführlichere, als ich sie hier veröffentlichen kann.